Verabschiedung Etat 2014
Nur eine Fraktion dagegen

13.02.2014 Quelle: Westfälische Nachrichten

Steinfurt –

Gegen die Stimmen der Freien Wähler hat der Rat am gestrigen Abend den Haushalt für das laufende Jahr verabschiedet. Und bis auf den Paukenschlag der FWS, mit dem sie den Technischen Beigeordneten zum baldigen Rücktritt auffordern, ging der allfährliche Höhepunkt im kommunalpolitischen Stadtparlamentsjahr ruhig und unaufgeregt über die Bürgersaal-Bühne.

In allen sechs Etatreden war das Wort „sparen“ wohl wieder das meistgebrauchte. Allerdings liegt es in der Natur der Sache, dass jede Partei dabei andere Akzente setzt. So lobte CDU-Fraktionsvorsitzende Doris Gremplinski den allgemeinen Willen aller Fraktionen zum Kürzertreten, der sich in den maßvollen Anträgen zum Haushalt deutlich gezeigt habe. Christian Franke für die GAL sekundierte: „Es ist ein maßvoller Haushalt, der den gebotenen Maßstäben einer sparsamen Haushaltsführung entspricht.“

Dem widersprach FDP-Fraktionschef Günther Hilgemann, der die aktuelle Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsförderung zitierte und noch mehr Sparbemühungen einforderte. „Wir müssen eine ehrliche Diskussion über finanzielle Möglichkeiten und notfalls über sinkende Ansprüche führen“, so Hilgemann. In die gleiche Kerbe schlug Dr. Reinhold Dankel für die FWS: „Weg vom Wünschenswerten, hin zum Machbaren.“

SPD-Sprecherin Marie-Luise Biesterfeld sieht die Bemühungen erschwert durch „neue Belastungen, die auf die Stadt zukommen“. Als Beispiele nannte sie Inklusion und steigende Asylbewerberzahlen.

Die Freien Wähler begründen ihre Ablehnung mit „zu vielen Baustellen, um unsere Finanzsituation auf Dauer zu verbessern“. Die Grünen enthalten sich, weil sie nur „einige positive Haushaltsansätze vorhanden sind“. Als Beispiele nannte Ludger Kannen den Klimaschutzmanager sowie die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger an den Stadtwerken.

Der Etat hat ein Defizit von 3,7 Millionen Euro, der Ausgleich ist unter diesen Rahmenbedingungen ist der Ausgleich 2021 möglich.



Haushaltsrede der GAL als PDF

GAL

Fraktion im Rat der Stadt Steinfurt

Christian Franke, Fraktionssprecher

Sandweg 77

48565 Steinfurt

Steinfurt, den 13. Februar 2014

Stellungnahme zum Haushalt 2014

– Es gilt das gesprochene Wort –

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Gäste,

sehr verehrte Damen und Herren der Verwaltung und der Presse,

liebe Ratskolleginnen und -kollegen,

sehr geehrter Herr Bürgermeister,

jetzt haben Sie es gleich geschafft, es dauert nicht mehr lang: die letzte Haushaltsrede dieser Ratsperiode hat soeben begonnen. 32 dieser Statements haben Sie seit der letzten Kommunalwahl über sich ergehen lassen – und offensichtlich relativ schadlos überstanden. 32 Etatreden à durchschnittlich 15 Minuten – somit acht Stunden Alleinunterhaltung, Selbstdarstellung und ein wenig Comedy… Eigentlich gilt ihnen und euch ein herzlicher Glückwunsch für ein derartiges Durchhaltevermögen!

Haushaltsreden (wie meine auch) sind ja nun mal emotional häufig vergleichbar mit einem Besuch beim Zahnarzt. Fortwährend sorgen wir uns darum, dass die Behandlung zu lange dauern oder gar schmerzhaft sein könnte. Mit Bangen fürchten wir unvorhergesehene Komplikationen und damit verbundene, zeitaufwändige Zusatzbehandlungen oder -ausführungen. Und permanent brennt in uns der Wunsch zu sagen “werd’ endlich fertig!”

Was soll ich in diesem Jahr hier vortragen? Soll ich’s kurz machen? Die Ratsfraktion der GAL stimmt dem Haushalt zu, da alternativlos, oder die GAL-Vertreter lehnen den Haushalt ab, da fantasielos? Und dann trete ich hier ab? Nein! Das wäre zu einfach, würde der aktuellen Situation nicht gerecht und last but not least: wann hab ich schon die Gelegenheit 15 Minuten lang unwidersprochen – und nicht einmal vom Bürgermeister unterbrochen – zu reden und Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen den ein oder anderen Eintrag fürs Poesiealbum mitzugeben. Also: packen wir’s an!

Denn Anpacken lohnt sich! Zumindest dann, wenn es darum geht, die Situation radfahrender Pendlerinnen und Pendler in beiden Stadtteilen wirkungsvoll zu verbessern: nachdem wir vor zwei Jahren auf die überaus unbefriedigende Situation am Bahnhof im Stadtteil Burgsteinfurt aufmerksam gemacht und hier die Schaffung einer Fahrradabstellanlage gefordert haben, ist hier mittlerweile – auch dank der Unterstützung durch den Kollegen Frank Müller von der SPD und das finanzielle Engagement der Fachhochschule – eine solide und brauchbare Lösung geschaffen worden.

Unser Antrag, auch am Bahnhof im Stadtteil Borghorst endlich für eine Verbesserung der Abstellmöglichkeiten für Fahrräder zu sorgen, ist in diesem Jahr vom Fachausschuss einmütig beschlossen worden, so dass wir nun darauf hoffen, durch die beantragten Fördermittel eine deutliche Aufwertung des Bahnhofsumfeldes zu schaffen und den vielen Pendlerinnen und Pendlern endlich angemessene Parkmöglichkeiten für ihre Zweiräder anbieten zu können. In der Vorbereitung der Haushaltsberatungen stieß ich in meinen Unterlagen auf den Ursprungsantrag zu dieser Maßnahme: formuliert im Jahr 1995 von Ingeborg Rowedda. Ja, wer in Steinfurt etwas bewegen will, braucht manchmal wirklich einen langen Atem…

Diese Puste verlangen wir auch der Feuerwehr ab: der Neubau der Feuerwache im Stadtteil Borghorst zieht sich wie Kaugummi, nun soll aber in den nächsten Monaten mit dem Neubau begonnen werden. Leider waren die vielfältigen Bemühungen, diesen Zweckbau nicht nur möglichst zügig, sondern auch möglichst günstig zu errichten, nicht von Erfolg gekrönt. Zu befürchten bleibt, dass ein Unterschreiten der veranschlagten Baukosten von 4,8 Millionen Euro nicht oder nur bedingt gelingen wird. So ist es ja des Öfteren in unserer zahnmedizinischen Praxis: an der Verwaltung beißt sich die Politik schon mal die Zähne aus…

Gleichwohl gibt es auch Entwicklungen, die uns zumindest mit Hoffnung erfüllen: der forschen Forderung des Vorstands der Steinfurt Touristik nach halbjähriger Einarbeitungszeit des oder der zukünftigen Geschäftsführers bzw. Geschäftsführerin ist die Politik klar und konkret entgegengetreten. Statt 30.000 € zusätzlicher Personalkosten erwartet der Stadtrat eine neue, zukunftstaugliche Organisation im Bereich Tourismusförderung und Innenstadtmanagement. Die GAL-Fraktion freut sich über diese selbst- und verantwortungsbewusste Entscheidung! Erste Ideen des Bürgermeisters lassen uns hoffen, dass es gelingen kann, die positive Wirkung auf die Innenstädte beider Stadtteile zu verstärken und dennoch den von allen Bürgerinnen und Bürgern zu erbringenden Zuschuss von 170.000 € zu reduzieren.

Dass der Straßenausbau der Molkereistraße und der Mennistenstiege im Stadtteil Burgsteinfurt auf Antrag der GAL-Fraktion einmütig auf das Jahr 2017 verschoben wurde, war in unseren Augen zwingend erforderlich: die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt haben schließlich ein Recht darauf, dass die von der Politik beschlossenen Maßgaben auch angewendet werden. Wir bedauern gleichzeitig zutiefst, dass die Stadt – und hier die Stadtverwaltung – durch derartige und häufig genug kaum nachvollziehbare Schritte immer wieder dafür sorgt, dass sich Anwohnerinnen und Anwohner mit Kraft und Aufwand organisieren müssen, um dass ihnen zugesagte Recht einzufordern und auch tatsächlich zu erhalten. Ich sage es Ihnen ganz im Vertrauen: der Bürger ist nicht der Feind, vielmehr sollte er endlich als Partner wahrgenommen werden!

Gleiches gilt für diejenigen, die in Steinfurt ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben – wenn auch erst einmal nur vorübergehend. Wer die Infrastruktur der Stadt nutzt – sei es in Sporthallen, auf gut ausgebauten Straßen oder Radwegen, in der Kneipenszene wie den Innenstädten, sollte der Stadt dabei helfen, dieses Angebot aufrecht zu erhalten! Dazu braucht es ja nicht viel: Erstwohnsitz anmelden und Prämie kassieren! Der entsprechende Antrag der GAL-Fraktion, die erforderlichen Webemaßnahmen zu verstärken, wurde einstimmig angenommen. Nun gilt, dass die Verwaltung konkret in die Werbung einsteigt!

Die Struktur der Steinfurter Schullandschaft war ein weiteres, zentrales Thema der zurückliegenden Monate. “Et bliev, wie et is”, so lautete die Antwort von Politik, Verwaltung und lobbyträchtigem Fachgremium. Schließlich hatten sich die befragten Eltern gegen die Einführung der Sekundarschule und für das bestehende, dreigliedrige Schulsystem entschieden. Wir als GAL-Fraktion zollen zunächst mal den aktiv-wirkenden Kräften Anerkennung, respektieren selbstverständlich den Elternwillen und stehen zu unserer Zusage, dass die Stadt dieses Votum als Maßstab anerkennt, die Schullandschaft in unserer Stadt zu verändern oder fortzuführen. So sollten übrigens alle politischen Kräfte verfahren, die im Vorfeld der Elternbefragung genau das zugesagt haben. Auch die SPD. Wir sind jedoch auch überzeugt davon, dass die getroffene Entscheidung langfristig kaum Bestand haben wird, auch befürchten wir, dass die Schulstadt Steinfurt dadurch aktuell geschwächt ist. Die nächste Elternbefragung aber kommt bestimmt. Und dann werden auch die Lobbyisten andere sein.

Es gleicht einem Armutszeugnis, wenn die Mehrheit dieses Stadtrats im Einklang mit der Verwaltungsspitze immer wieder erklärt, originäre Verwaltungsaufgaben nicht ohne Hilfe von außen bewältigen zu können: eine Belebung der Innen- oder Altstadt im Stadtteil Burgsteinfurt? Ohne Altstadtmanagement nicht leistbar – schließlich hat die Mehrheit des Rates ja vor einiger Zeit dafür gesorgt, dass die Kaufkraft gezielt zum Baumgarten umgelenkt wurde. Blöd für die Altstadt. Nur zu spät aufgefallen. Dann muss jetzt endlich was dagegen getan werden. Was genau? Keine Ahnung. Könnte sich ja mal jemand drum kümmern. So etwas wie ein Altstadtmanager. Gute Idee! Eingestellt.

Dass der Energieverbrauch in den Gebäuden der Stadt zu hoch ist – ewig bekannt. Auch der GAL. Die hat ein gutes Programm beschließen lassen: fifty/fifty – in zahllosen Städten umgesetzt und mittlerweile alltäglicher Standard. Nicht so in Steinfurt. Denn hier muss erst einmal alles dauernd auf den Prüfstand. Wär ja doof, wenn Energie und Kosten eingespart würden, wir aber nicht genau sagen könnten, woran es liegt. Dann sollten wir’s besser lassen, oder? Unbedingt. Oder jemanden beauftragen, sich dafür verantwortlich zu fühlen. Vielleicht einen Klimaschutzmanager? Das wär klasse! Eingestellt.

Ach, was könnten wir nicht alles besser managen (lassen), wenn jemand von Außen eingekauft werden könnte? Einen Spielplatz-Manager könnten wir verdammt gut gebrauchen, einen Schulwege-Manager haben wir auch noch nicht und auch für ein Management ehrenamtlich Aktiver, Bezugsberechtigter der Ehrenamtscard ließe sich doch ein Profil entwickeln. Man müsste es nur wollen…

Dass dadurch die Personalkosten aus dem Ruder laufen ist sekundär, gegebenenfalls beantragt die SPD hierzu im Gegenzug eine pauschale Kürzung. Muss doch irgendwie möglich sein.

Ein solcher Vorstoß mag unsolide erscheinen – aber ist nicht vieles in unserer, alltäglichen Arbeit substanzlos?

Das Bild, das der Stadtrat, seine Ausschüsse und die Stadtverwaltung – gerne vereinfacht wahrgenommen als “die da bei der Stadt” – nach Außen hin vermitteln, muss gerade mit Blick auf die Geschehnisse im zurückliegenden Jahr als wenig rühmlich umschrieben werden, teilweise waren es schon peinliche Szenen:

    • So wie bei der Umstellung der Abfallentsorgung: ein monatelanges Hick-Hack (und das ist etwas Anderes als ein notweniger Abwägungsprozess) über das Für und Wider der Abrechnung nach Volumina oder Gewicht, eine desaströse Organisation von Bürgerbefragung, Tonnen-Bestellung, Auslieferung und Rück-Abwicklung durch das bisher beauftragte Unternehmen, begleitet von einer Öffentlichkeitsarbeit und einem Beschwerdemanagement, das kaum schlechter hätte laufen können.
    • Gleiches gilt für die Überplanung der Websäle: wohl überrascht von den finanziellen Möglichkeiten, die in dieser Brache liegen, sind mehrere Verfahren erforderlich, am Ende steht eine Lösung, die von der Mehrheit des Stadtrates wohl nur als suboptimal bezeichnet werden dürfte. Alternativen sind jedoch nicht (mehr) denkbar. Der Rat der Stadt ist handlungsunfähig – welch traurige Erkenntnis.

Damit aber nicht genug: von der eben schon erwähnten Feuerwache und der damit einhergehenden Frage nach dem Umgang mit der ehemaligen Villa Heimann über ansiedlungswillige Investoren und anzufertigende Investorenprotokolle, die Macht oder gar Übermacht des Gestaltungsbeirats bis hin zum Bau der Biogasanlage Schulze Düding – das Bild, das außerhalb dieses Hauses (und gewiss auch innerhalb) von uns, quasi “denen da bei der Stadt”, also von Politik und Verwaltungsspitze wahrgenommen wird, ist wahrlich unbefriedigend. Auf jedem Affenfelsen geht es wohl geordneter zu.

Die eigentlich wünschenswerte, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Politik und Teilen der Verwaltungsspitze hat sich zu einem nervenaufreibenden, kraftraubenden Kleinkrieg entwickelt. Entsprechende Reibungsverluste sind ebenso die Folge wie permanentes Misstrauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle haben sich wie die Mitglieder meiner Fraktion zur Wahl gestellt, um Entscheidungen in dieser Stadt zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger zu treffen. Wenn ich auf das zurückliegende Jahr blicke, könnte man meinen, wir stünden mit dieser Haltung der Verwaltung manchmal einfach im Weg.

Ich möchte Ihnen hierzu von meinen ganz persönlichen Erfahrungen berichten. Seit fast 20 Jahren gehöre ich nun dem Rat der Stadt an. In all dieser Zeit habe ich kein Jahr erlebt, in dem mehr Zeit, Kraft und Aufwand erforderlich war, die anstehenden Prozesse und Entscheidungen aufzubereiten, Recherchen anzustellen, Anfragen und Nachfragen zu formulieren oder getroffene Aussagen zu hinterfragen. Ursache hierfür ist, dass mir als Entscheidungsträger die erforderlichen Informationen nur unzureichend, nicht vollständig oder gar nicht geboten werden. Dieses halte ich für einen nicht länger hinnehmbaren Umstand!

Sie, meine Damen und Herren als Verwaltungsvorstand insgesamt, aber auch ganz persönlich, möchte ich darauf hinweisen, dass Sie alle in der Verantwortung stehen, den Rat der Stadt frühzeitig und voll-umfänglich zu informieren, um die notwendigen Entscheidungen treffen zu können. Und zwar nicht in Ihrem ganz persönlichen Sinne, sondern im Sinne der Allgemeinheit. Und dabei sollten Sie bedenken, dass die Mitglieder des Stadtrates ihre ehrenamtliche Arbeit aufnehmen, wenn sich der Verwaltungsvorstand schon in den verdienten Feierabend verabschiedet hat…

Heute haben wir zu befinden über den städtischen Haushalt 2014. Und auch wenn der Reiz, ihn aus wahltaktischen Überlegungen abzulehnen, noch so groß sein mag – wir widerstehen und stimmen dem vorgelegten Zahlenwerk mit seinen Änderungen zu. Weil er ein maßvoller Haushalt ist, auf zusätzlichen Aufwand verzichtet und damit den dringend gebotenen Maßstäben einer sparsamen Haushaltsführung entspricht.

Jetzt kann ich Sie entlassen. Sie waren wirklich sehr tapfer! Ich erspare Ihnen beim Verlassen des Behandlungsstuhls die Anmerkung “war doch gar nicht so schlimm, oder?”, zur eigenen Beruhigung gönnen Sie mir aber zumindest noch die rhetorische Feststellung “hat doch gar nicht wehgetan”.

Das soll’s gewesen sein. Unser Dank gilt den konstruktiven Kräften der Stadtverwaltung für die kurzfristige und auch umfassende Hilfe, den Vertretern von MZ, WN und VOIS.tv für die objektive und engagierte Begleitung und Berichterstattung über die politische Arbeit in Steinfurt und auch Ihnen für die gute Beratung zum Haushalt 2014!

Um im Bild zu bleiben: Vereinbaren Sie doch bitte einen Termin für die nächste Behandlung!

Christian Franke

Sprecher der Fraktion