Verabschiedung Etat 2015
Nur Grüne und GAL stimmen gegen den Haushalt 2015, Linke enthält sich

19.03.2015 Haushalt 2015

Zum Bericht der Westfälischen Nachrichte vom 19.03.2015

“Beschlossene Sache”




Haushaltsrede der GAL als PDF

GAL
Fraktion im Rat der Stadt Steinfurt

Christian Franke, Fraktionssprecher
Sandweg 77
48565 Steinfurt

Steinfurt, den 19. März 2015

Haushaltsrede 2015

Haushaltsrede der Fraktion Grün-Alternative Liste (GAL)

anlässlich der Verabschiedung des Haushaltes

in der Ratssitzung am 19. März 2015

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

meine Damen und Herren,

Dinosaurier gelten als faszinierende Geschöpfe. Obwohl sie in sehr unterschiedlichen Größen und Formen vorkamen, ist das öffentliche Bild geprägt von riesigen Echsen, die behäbig durch Jura- und Kreidezeit stapften, stets große Mengen an Pflanzen vertilgend.

Ihre schiere Größe handelte ihnen allerdings auch Probleme ein. Allein die enorme Masse brachte eine gewisse Trägheit der Reaktion mit sich und ihre Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Umweltbedingungen war deutlich herabgesetzt. Irgendwann, verursacht durch ein oder mehrere katastrophische Ereignisse, verschwanden dann die Giganten der Urzeit.

Was hat das mit der Steinfurter Politik zu tun? Es ist eigentlich naheliegend: die CDU hier im Rat weist erstaunliche Parallelen zu den Sauriern auf. Auffallend zunächst einmal die Größe. Die Christdemokraten stellen ja schon seit geraumer Zeit die meisten Mandatsträger. Doch wie der um rund 70 Millionen Jahre zurückwandernde Blick zeigt, bringt pure Größe, mag sie auch noch so imposant wirken, phylogenetische, also stammesgeschichtliche Nachteile quasi unvermeidlich mit sich.

Waren die Reaktionszeiten auf Impulse aus der Umgebung bei den Großechsen deutlich verlangsamt, so zeigt sich ein vergleichbares Phänomen bei der hiesigen CDU. Anträge, die unsere Fraktion schon vor Jahren gestellt hatte wie beispielsweise den zum Verkauf der Villa Fleiter, werden erst spät von ihr registriert und mit großem zeitlichen Verzug – allerdings ohne Widerspruch – in die Umsetzung gebracht.

Ähnliches bei der Anpassungsfähigkeit an gewandelte Umweltbedingungen: Klimawandel, steigende Energiepreise, Endlichkeit der fossilen Energieträger – die GAL-Fraktion hat wie die Fraktion der Bündnisgrünen in Steinfurt stets konkrete Forderungen formuliert, den Energieverbrauch wie den damit verbundenen, finanziellen Aufwand zu reduzieren. Die Umsetzung aber bedarf Zeit und Durchhaltevermögens. Ob grün-alternativ oder bündnisgrün: wir geben nicht auf!

Eine dritte Parallele: der große Ressourcenverbrauch. Sparsamer Umgang mit den städtischen Finanzen – das schien viele Jahre für die Fraktionen von CDU und SPD ein Fremdwort zu sein. Wir wollen keine geschlagenen Schlachten wieder aufwärmen, stellen viel mehr mit Erleichterung fest, dass mittlerweile auch die großen Fraktionen die Spendierhosen weitgehend abgelegt haben und Selbstdisziplin in der Erfindung und Entwicklung neuer Projekte üben.

Während sich die CDU nun verstärkt der Ausbesserung schmaler Pättchen und dem Kampf gegen Maulwurfshügel auf Spielplätzen widmet, forciert die SPD nur noch Marketingstrategien sowie Unkrautbekämpfungsgerätschaften. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: ich bin froh, dass wir zumindest schon einmal so weit sind.

Immer mehr und immer bunter, so könnte man die langjährige Tendenz auf einen Punkt bringen. Ich habe in den letzten Tagen ein kleines Buch in die Hand genommen: den städtischen Haushalt aus dem Jahr 1995. Der erste Etat, an dessen Beratung ich mitarbeiten durfte. Damals war der Bürgermeister ein Stadtdirektor und hieß Kuß und nicht Hoge. Der Haushalt – damals noch weit entfernt vom NKF – wurde ausgeglichen durch einen 1,7 Millionen schweren Griff in die Rücklage. Als Kartoffelsuppe ohne Fettaugen und Einlage wurde der damalige Etat durch den Verwaltungschef offeriert. Verglichen mit der heutigen Finanzlage haben sich mittlerweile auch Knolle und Gemüsebeilage verflüchtigt.

Das Haushaltsjahr 1995 wurde dem Rat präsentiert als hartes Jahr, in dem eines gelte: “Nur wenn wir alle die Kraft besitzen, Ausgabendisziplin zu üben, werden wir die Schwierigkeiten meistern können”, so Franz-Josef Kuß vor langer Zeit. Damals hatte oberste Priorität, Steuererhöhungen zu vermeiden, um die Bürger nicht weiter zu belasten. Die Steinfurterinnen und Steinfurter werden sich beim Empfang ihres nächsten Gebührenbescheids die Augen reiben: 100 Hebesatzpunkte mehr werden sie aufbringen müssen. Das haben CDU, SPD und Bündnisgrüne beschlossen.

Und dennoch wird Steinfurt die Finanzen nicht auf solide Beine stellen: strukturelles Defizit – da war doch was? Richtig! Nur ernst nehmen tut’s offenbar kaum jemand. Die vom Rat beschlossenen Planzahlen sind alarmierend: 3,8 Millionen in 2013, 3,75 Millionen in 2014, 3,93 Millionen in 2015 – der Rat weiß um dieses konstante Defizit bei Beschluss des Haushalts. Gravierende Änderungen werden aber nicht vollzogen.

Sparen funktioniert aber nur dann, wenn wir bereit sind, erbrachte Leistungen in Frage zu stellen. Hierzu haben die Fraktionen von FWS und FDP Anstöße aus der GPA-Untersuchung aufgegriffen.

Der Bürgermeister sieht seine Aufgabe darin, die günstige Lage am Kreditmarkt für die Stadt zu nutzen. 1,4 statt 4,4 Prozent – optimal, um den Rahmen finanzieller Möglichkeiten zur Sicherstellung der Liquidität der Stadt zu nutzen. Aber wohl eher verwaltend, statt gestaltend.

Die GAL-Fraktion hat sich selbst verpflichtet nicht aufzugeben, Einsparpotentiale zu thematisieren: ob der Verzicht auf eine Brücke am Göckenteich für 150.000 €, die Umsetzung des ElektroG durch eigenes Personal (kalkulierte Einsparung: 40.000 € pro Jahr), Einsparungen in der Politik durch Absenkung von Sitzungsgeldern in Gesellschafterversammlungen von StEin und Stadtwerken – ohne viele derartige Maßnahmen wird es uns kaum gelingen, die Finanzen der Stadt jemals wieder ins Lot zu bringen.

Jeder dieser und weiterer Vorschläge darf auch vom Bürgermeister immer wieder gerne als nicht entscheidend oder nicht ausreichend kritisiert werden. Fest steht aber, dass Ihre CDU-Fraktion weit davon entfernt ist, überhaupt einen einzigen Einsparvorschlag jemals zu unterbreiten!

Wir erleben “Doris Dampf in allen Gassen” – aber davon hat die Stadtkasse leider nichts.

Fast wehmütig blickt man nach Rheine, wo es der CDU gelungen ist die Kraft aufzubringen, im Zuge einer schwarz-grünen Koalition Maßnahmen des Haushalts auf den Prüfstand zu stellen und schon im ersten Jahr Einsparungen von 800.000 € zu generieren. Nicht schmerzfrei – aber im Sinne der nachfolgenden Generationen.

Ähnliches hätte man auch zumindest von der die Stadtpolitik derzeit wesentlich bestimmenden Fraktion der CDU erwartet – ja man muss es geradezu von ihr einfordern als Beitrag zur Absicherung der finanziellen Solidität unseres Haushalts. Die entsprechende Rückendeckung hat man ja durch die Kommunalwahl im Mai letzten Jahres erhalten. Aber da kommt herzlich wenig! Politische Gestaltungskraft à la CDU erschöpft sich somit eher im legendären ‚Dorf Münsterland’ in Legden anstatt in der tatsächlichen Bewältigung fiskalischer Herausforderungen vor Ort.

Dabei bräuchte es die geballte politische Kraft, um unbestrittene Missstände zu beheben. Ein Beispiel: 39 Altstraßen in Steinfurt wurden in den zurückliegenden zehn Jahren ausgebaut. Entsprechende Beiträge von Anliegern kassiert. 31 dieser Straßenausbauten sind bis heute nicht abgerechnet. Trotz der Zahlung von Erschließungskosten von 3.899.554,- €! Eingefordert und kassiert schon ab dem Jahr 2005, 2006 und 2007. Abgerechnet wurde bis heute nicht. Bürger haben Bausparverträge gekündigt oder optimiert, haben Vermögen aufgelöst oder Schulden gemacht. Wir als Stadt schulden ihnen aber bis heute die Klarheit darüber, ob sie nachzuzahlen haben oder ihnen Geld von der Stadt erstattet gehört. Schon im letzten Jahr haben wir Vorsorge getroffen, hier mit Nachdruck Klarheit zu schaffen. Warum auch immer Ihnen, Herr Hoge, hieran nicht gelegen ist: werden Sie als Chef der Stadtverwaltung endlich tätig!

Kraftvoll wird nun eine neue Kindertagesstätte an der Lindessaystraße im Stadtteil Burgsteinfurt geschaffen. Der Bedarf scheint gegeben, wir sehen den Träger als Bereicherung des vorhandenen Angebots. Gleichwohl stellt der Bestandsschutz bestehender, bewährter Einrichtungen in den Augen unserer Fraktion ein hohes Gut dar, das nicht beliebig oder gar gleichgültig behandelt werden darf!

Ohnehin scheint in den Sternen zu stehen, ob es gewollt ist, junge Menschen endlich wieder an Entscheidungsprozessen in unserer Stadt zu beteiligen und es gelingen kann, die entscheidenden Schritte hierzu auf den Weg zu bringen. Nicht nur der Bürgerhaushalt droht zu sterben, vielmehr fehlt es den Entscheidungsträgern auch an Ideen, junge Steinfurter einzubeziehen, ihre Meinung abzufragen und sie darin zu stärken, dass es Sinn macht, sich für Ihre Stadt zu engagieren. Schließlich geht es um ihre Zukunft!

Hierüber wird zu sprechen sein. Zukunftsträchtige Politik kann nur von denen gemacht werden, die nicht den größten Teil ihres Lebens schon gelebt haben! Wir als Stadtrat kratzen schon jetzt am Durchschnittsalter des Seniorenbeirates und sind gefordert, nicht nur jede finanzielle Hoffnung der nächsten Generation zu schützen, sondern entschlossen und gemeinsam mit jungen Menschen unsere Stadt zukunftstauglich zu gestalten!

Der vorliegende Etat eignet sich dafür (noch) nicht. Daher lehnen wir ihn entschlossen ab.

Unabhängig davon danken wir aber all den konstruktiven Kräften der Stadtverwaltung für Ihre Mitarbeit sowie der WN und VOiS-Redaktion für eine objektive und sachliche Berichterstattung!

Christian Franke

Sprecher der Fraktion