Verabschiedung Etat 2016 Keiner ist dagegen – Grüne und Linke enthalten sich

03.03.2016 Haushalt 2016

Zum Bericht der Westfälischen Nachrichte vom 03.03.2015

“Zum Bericht”


Haushaltsrede der GAL als PDF
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GAL
Fraktion im Rat der Stadt Steinfurt

Christian Franke, Fraktionssprecher
Sandweg 77
48565 Steinfurt

Steinfurt, den 03. März 2016

Stellungnahme zum Haushalt 2016

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

sehr geehrte Damen und Herren!

“Wer will, dass die Welt so bleibt wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt!”

Dieses Zitat von Erich Fried umschreibt zutreffend, dass ein Festklammern an alten Strukturen und ein Nicht-loslassen-können von Liebgewonnenem, schon im Hier und Jetzt zum Problem werden kann.

Ich könnte mich jetzt wie manch anderer hier hinstellen und auf Land und Bund schimpfen, auf alle, die uns vermeintlich im Stich gelassen haben, gegen die Ungerechtigkeit des Stärkungspakts wettern, alles auf die Finanzkrise schieben, schlechtes Karma oder Gott und die Welt für unsere Misere verantwortlich machen.

All das will ich nicht tun. Denn das würde bedeuten, meine, unsere Verantwortung als gewählte Vertreterinnen und Vertreter für diese Stadt zu negieren; vor der Verantwortung davon zu laufen. Man muss sich das noch mal genau vor Augen führen: hier sitzen Menschen mit dem abgegebenen Versprechen, dieser Stadt Gutes zu tun, ihren Bürgerinnen und Bürgern nach bestem Wissen und Gewissen zu dienen und möglichst weise Entscheidungen herbei zu führen.

Alle Jahre wieder zeigt sich am Ende der langen Rechnung im Haushalt ein dickes rotes Minus!

Was braucht eine Stadt in einer solchen Situation, um die Chance zu haben, auch finanziell wieder zu eigenen Kräften zu kommen?

Sie braucht Entscheidungsträger, die die Kommune unternehmerisch betrachten und sie dementsprechend einer gründlichen Prüfung unterziehen. Eine entkräftete Kommune braucht ebenso aber auch mutige Entscheidungsträger, die dazu in der Lage sind, zum Wohle der Stadt zu handeln.

Wenn wir die Herde der ‚heiligen Kühe’ nicht endlich mal einer Untersuchung unterziehen, wird diese Stadt noch viele Steuererhöhungen erleben.
Aber wir schaffen es ja nicht einmal, auf eine marode und ungenutzte Toilettenanlage am Schüttenwall zu verzichten, sondern putzen diese weiter für 6.000 € im Jahr…

Glaubwürdige Alternativszenarien zu einer exorbitanten Erhöhung der Grundsteuer B wurden in Steinfurt noch nicht einmal ansatzweise in Erwägung gezogen. Offenbar erkennt die Mehrheit des Rates nicht, wie verheerend sich derartige Steuererhöhungen auf die Kaufkraft und somit die lokale Wirtschaft auswirken können. Ist es tatsächlich egal, dass derartige Steuererhöhungen Steinfurt als Wohnort unattraktiver machen und dass hiervon junge Familien mit Kindern in besonderer Weise betroffen sind? Augen zu und weiter wie bisher – so die Losung.

Vielleicht kommen einigen von Ihnen diese Sätze bekannt vor. Sie stammen aus meiner Haushaltsrede des Jahres 2013. An Aktualität haben Sie bis heute nicht verloren.

Die Steuererhöhung greift erst nach der Kommunal- und Bürgermeisterwahl, den Bürgern wird dann das Märchen von der angeblichen ‚Alternativlosigkeit’ erzählt und ganz doll auf deren Vergesslichkeit gehofft, so meine damalige Vermutung. Mittlerweile haben die Bürger das Ergebnis der ersten Stufe Ihres Steuererhöhungsplanes auf dem Tisch und der Fachdienst Finanzen kann ein Lied davon singen, wie derbe die Reaktion hierauf ausgefallen ist.

Neben der Finanzsituation der Stadt will ich am heutigen Abend zwei Themen besondere Bedeutung einräumen:

Der Erhalt des Marienhospitals stellt einen wesentlichen Faktor der medizinischen Versorgung in unserer Stadt selbst und umliegenden Orten dar. Wir alle können froh sein, mit dem UKM einen Partner gefunden zu haben, der hoffentlich eine langfristige Existenz dieser Einrichtung vor Ort garantiert. Der Verlust der Geburtshilfe stellt eine beträchtliche Schlechterstellung für Schwangere und werdende Eltern dar. Jetzt aber zählt es, Fachabteilungen vor Ort ebenso zu sichern wie wichtige Arbeitsplätze für qualifiziertes Personal. Auch wir stehen ein für einen dauerhaften Bestand des Marienhospitals – als Unterstützer und Mitarbeitende im Förderverein wie auch als Gewählte im Stadtrat.

Menschen kommen zu uns, die vor Krieg, Terror und dem Tod geflohen sind. Alltäglich sind wir konfrontiert mit Bildern, die uns vermitteln, welch enorme Anstrengungen und Gefahren sie in Kauf nehmen, um endlich in Sicherheit leben zu dürfen. Wirtschaftsflüchtlinge, die mit ihren Kleinkindern und Säuglingen auf dem Arm in Boote steigen, in der Hoffnung, das Mittelmeer lebend überqueren zu können? Wohl nicht. Wer sich die Mühe macht, sich einmal in diejenigen hineinzuversetzen, die einen Großteil ihres Hab und Guts Schleppern übergeben, die alles zurücklassen außer die eigenen Kinder, die in Zeltstädten, Auffanglagern und an Grenzübergängen ausharren, um endlich ohne Furcht leben zu können, wird schnell erkennen, dass wir alle froh sein können, derartige Strapazen nicht auf uns nehmen zu müssen. Umso dringender sind wir gefordert, Schutz zu gewähren und dafür zu sorgen, dass Flüchtende bei uns ein neues Zuhause finden!

Wir als Stadtrat schaffen die Rahmenbedingungen, um Geflohenen hier Unterschlupf, Unterkunft, Verpflegung und Versorgung zu gewähren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung leisten Enormes, um Bedürftigen diese Hilfe und Unterstützung konkret zukommen zu lassen. Dass hierzu große Anstrengungen erforderlich sind und Übermäßiges geleistet wird, verdient den Respekt des gesamten Stadtrates!

Dass gerade aber auch unzählige Ehrenamtliche mit zum Teil unbeschreiblichem Engagement dafür sorgen, dass Flüchtlinge Hilfe in vielfältiger Form erfahren, ist ein Akt totaler Nächstenliebe und unvoreingenommener Gastfreude. Ohne all die Unterstützer in Unterkünften, Kleiderkammern, Anlaufstellen, Cafés und Begegnungsstätten wäre diese unglaubliche Herausforderung nicht zu meistern. Wir als GAL sind hierfür unbeschreiblich dankbar, dass Menschen in unserer Stadt all dieses möglich machen.

Etwas weniger dankbar sind wir für das, was rund um die Etatberatungen geschieht.

Ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen allen diese und ähnliche Aussagen bekannt sind, daher erlaube ich mir, sie hier vorzutragen:

“Steinfurt hat mit Blick auf die Zeitreihe 2009 bis 2012 einen dramatischen Eigenkapitalverzehr zu verkraften. Dieses verringerte sich bereits um 54 Prozent bzw. 29,2 Mio. Euro.” Die Steinfurter Stadtverwaltung wie auch die Politik haben diese Feststellung der Gemeindeprüfungsanstalt mittlerweile als korrekt anerkannt.

Gleichzeitig wurden “für den Haushalt der Stadt Steinfurt eine dauerhafte Deckungslücke von 4,9 Millionen Euro ermittelt”. Anerkannt und akzeptiert durch Verwaltung und politische Fraktionen.

Der Kreis als Finanzaufsicht schreibt uns fortwährend ins Buch, was vom Umgang mit den städtischen Finanzen fachlich zu halten ist: “von struktureller Verbesserung kann nicht die Rede sein”, Entscheidungen sind “nicht nachhaltig” und Entlastungen in einzelnen Jahren nur durch Verschiebungen von Maßnahmen zustande gekommen.

Wer die HH-Beratungen der letzten wie auch dieses Jahres miterlebt, stellt sich zunächst mal eine technische Frage: sind all diese Papiere auf dem Weg zur CDU und zur SPD auch in der Firewall hängengeblieben? Waren sie vielleicht gar nicht Teil des Verteilers? Das würde natürlich eine deutliche Rüge für die Verwaltung bedeuten.

Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der größeren Fraktionen, die Aussagen der übergeordneten Behörden jedoch kennen, muss die Frage erlaubt sein, warum diese ihr Handeln in keiner Weise beeinflussen? Haben Sie bessere Finanzexperten in Ihren Reihen als die unseres Fachdienstes Finanzen oder des Kreises?

Im letzten Jahr habe ich dazu gelernt, dass in der CDU die Haushaltsberatungen ganzjährig stattfinden. Dann muss aber doch auf die Frage erlaubt sein, warum nichts Messbares dabei herauskommt?

Gut, es mag daran liegen, dass Ihnen wie auch der SPD etwas Entscheidendes fehlt: Kennzahlen! Die sind für die CDU zumindest elementar, seitdem man fürchtet, der Stadtspitze nicht mehr blind und unkritisch folgen zu können. Und die SPD behauptet gar, wer den Haushalt ohne Kennzahlen berate, habe keine Ahnung.

Das ist interessant, denn uns genügt eine Kennzahl, um zu erkennen, ob wir sparen müssen oder nicht: Defizit pro Stadt in 2016 – Kennzahl für Steinfurt: 6,9 Mio. Euro.

Wir sind eine sehr kleine Ratsfraktion, bei unseren drei Mitgliedern kommt die SPD zahlenmäßig vier Mal so groß und die CDU sogar sechs Mal größer daher. In jedem Jahr kämpfen wir aber dafür, Maßnahmen zu ergreifen, die den städtischen Etat nachhaltig entlasten.

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Mehr als 200.000 Euro sind auf Initiativen und Anträge der GAL-Fraktion zurückzuführen. Entlastungen, die nicht einmalig abgefackelt werden wie der Verkauf von Grundstücken und Tafelsilber, sondern in jedem Jahr Wirkung entfalten. 200.000 Euro oder 20 Hebesatzpunkte bei der Grundsteuer B.

Und SPD oder CDU? Vorschläge mit einem Volumen von 800.000 Euro oder gar 1,2 Millionen Euro?

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Leider nicht. Aber es fehlen eben auch die Kennzahlen…

Festzuhalten bleibt, dass der Verwaltungsvorstand die politischen Fraktionen im Rahmen der Haushaltsberatungen sehr offen und transparent informiert hat. Eine Transparenz, die ich so in den zurückliegenden 22 Jahren meiner Tätigkeit hier noch nicht erlebt habe. Nicht immer konnten daraus Mehrheiten für erforderliche Konsequenzen gefunden werden. Das ist überaus bedauernswert und zum Nachteil der Stadt.

Wer allerdings darum weiß, dass an unseren Schulen ein massiver Sanierungsstau von rd. 7,5 Millionen Euro besteht, der muss anerkennen, dass wir hier dringendst Geld in die Hand nehmen müssen, um diese Gebäude vor dem totalen Verfall zu bewahren. Wer lieber Geld in Pavillonklassen steckt, die schon heute nicht mehr für Unterrichtszwecke erforderlich sind, verfrühstückt Mittel, die dringend in die Sanierung der Gebäude zu investieren sind.

Wer allerdings immer wieder betont, die Stadt bzw. die Politik habe kaum noch Einfluss auf die Ausgaben in Steinfurt, der sollte auch hierum wissen:

Die Bagno-Konzertgalerie wurde durch Steuergelder in Höhe von rd. 3,7 Millionen Euro restauriert. Öffentliche Mittel, um ein marodes Gebäude – den ältesten, freistehenden Konzertsaal Europas – für die Öffentlichkeit wieder nutzbar zu machen. Dem Bagno-Kulturkreis wird der Saal zur Durchführung seiner Programmreihe überlassen. 42.500 Euro, so ist im Haushalt nachzulesen, bringt die Stadt als Zuschuss für diesen Zweck auf. Wichtig ist aber auch hier, um das “Kleingedruckte” zu wissen: von der Überlassung über Energie- und Nebenkosten, bis hin zu Leistungen des Baubetriebsamtes und Hausmeisterdiensten entstehen hier jährliche Kosten von fast 100.000 Euro. Eine Summe, getragen von allen Steuerzahlern in Steinfurt – zugunsten eines sehr erlesenen Kreises von Nutzern.

Und auch darum sollten die Steinfurter endlich wissen: in den zurückliegenden beiden Jahren wurde die Konzertgalerie 63 Mal Dritten überlassen. Die reguläre Miete wurde jedoch nur in fünf Fällen gezahlt. Einnahmeverlust für die Stadt alleine dadurch: mehr als 50.000 Euro!

Damit steht die Konzertgalerie an 335 von 365 Tagen im Jahr vollkommen ungenutzt da. Damit muss endlich Schluss sein! Die Konzertgalerie muss endlich einem breiteren Publikum zugänglich und nutzbar gemacht werden!

Und sie darf nicht mehr nur denen überlassen werden, die über “gute Drähte” verfügen. Und wer dieses einmalige Ambiente nutzt, der muss wissen: hier ist Miete zu zahlen.

Die Bagno-Konzertgalerie ist eine von unzähligen Bausteinen, die es gilt, genauer unter die Lupe zu nehmen. Um Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, weitere Steuererhöhungen möglichst zu vermeiden und die Finanzen der Stadt wieder ins Lot zu bringen. Ohne Arbeit und intensive Recherche ist dieses nicht möglich. Aber auch nicht ohne Mut, ehrlich zu sein!

“Hören, was ist – machen, was geht”, so der Leitspruch von Claudia Bögel-Hoyer während ihres Bürgermeisterwahlkampfes. Der Stadtrat hat bislang mehrheitlich einen eigenen Kurs gewählt: “Nicht hören, was ist, sondern machen, was eigentlich nicht geht”. Ich mag die Hoffnung nicht aufgeben, dass auch dieser Stadtrat irgendwann erkennt, dass an einem Umdenken kein Weg vorbei führt… Denn, um mal Franz-Josef Strauß zu bemühen: “”Wer everybody’s darling sein möchte, ist zuletzt everybody’s Depp.”

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, liebe Claudia, niemandem kann verborgen geblieben sein, wie sehr Dir an einer konstruktiven, lösungsorientierten Zusammenarbeit gelegen ist – über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg, in enger Abstimmung mit den Menschen in Steinfurt und zum Wohle der Stadt. Es ist ein bislang vollkommen unbekanntes Bild, das wir hier vom (erweiterten) Verwaltungsvorstand gewinnen dürfen: der Teamgedanke hat Einzug gehalten.

Wir möchten Dir, noch viel mehr aber Deinem Team und insbesondere Heike Melchers, Andreas Meyer und Helmut Grönefeld für die überaus konstruktive Beratung und Unterstützung während der Etatberatungen danken!

Dem Haushalt des Jahres 2016 stimmen wir zu.

Last but not least gilt mein herzlicher Dank den Redakteurinnen und Redakteuren der Westfälischen Nachrichten, von radio rst und VOiS.tv für ihre engagierte und faire Berichterstattung!

Vielen Dank für Ihre und eure Aufmerksamkeit!

Christian Franke

Sprecher der Fraktion