Rede zum Haushalt 2019

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GAL
Unsere Stadt kann mehr
Fraktion im Rat der Stadt Steinfurt
Christian Franke, Fraktionssprecher
Sandweg 77
48565 Steinfurt

Entwurf des Haushalts 2019

Rede von Christian Franke, Sprecher der GAL-Fraktion – es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
geschätzte Damen und Herren des Verwaltungsvorstands,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
meine Damen und Herren,

es mag überraschend anmuten, aber die ersten Worte meiner Etatrede dieses Jahres sind bewusst und explizit an die Spitze der Verwaltung adressiert: wie massiv und gewaltig wird gerade Ihnen immer wieder Kritik entgegengebracht. Es scheint kaum möglich zu sein, dass ihr Handeln oder auch Ihre Lösungsvorschläge auf Wohlwollen, zumindest aber auf Akzeptanz bei der Mehrheit des Stadtrates stoßen. Die Etatberatungen für das Jahr 2019 haben diesen Umstand wieder deutlich unterstrichen.

Letztendlich ist  festzustellen, dass sich die Stadt heute in einer finanziellen Situation befindet, in der sie sich fast zwanzig Jahre nicht befand

  • der Haushaltsentwurf 2019 wurde mit einem prognostizierten Defizit von 1,8 Mio. € eingebracht;
  • mittlerweile können wir davon ausgehen, dass statt dessen ein Überschuß von 0,5 Mio. € erreicht werden kann;
  • das Jahr 2019 könnte somit das zunächst letzte Jahr sein, das Steinfurt in der vorläufigen Haushaltsführung verbringen muß;

Wir als GAL-Fraktion haben in zurückliegenden Jahren bereits vermutet, dass sich der Rat mehrheitlich in ‚dunklen Höhlen’ verrannt hat. Gleichwohl haben wir aber nicht die Hoffnung aufgegeben, dass die Stadt irgendwann auch wieder das Licht am Ende des Tunnels erblicken könnte, hierfür jedoch sparsame Haushaltsführung und der Verzicht auf unwägbare HH-Risiken erforderlich ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus den übrigen Fraktionen,

wir stellen auch in den nun zu Ende gehenden Etatberatungen fest: es muß als hilfreicher Umstand angesehen werden, wenn der CDU- wie der SPD-Fraktion möglichst wenig Mittel zur freien Verfügung stehen. So konzentriert man sich dann in Ihren Reihen auf Strategie- und Konzept-Anträge, die ohne entsprechende Ausstattung mit Finanzmitteln auskommen. Das Themenspektrum hierbei ist enorm – eine Digitalisierungsstrategie wird ebenso erwartet wie eine kommunale Alten- und Pflegeplanung, das Streben nach der Erlangung des Titels einer E-Government-Modell-Kommune… Klingt alles wirklich bravourös. Zunächst einmal.

Wer die HH-Anträge der CDU allerdings mal genauer liest, dem schießt schnell Karl-Theodor zu Guttenberg in den Sinn: der Antrag zum E-Government wurde offenbar in weiten Teilen beim Bundespresseamt geklaut, den Antrag zur Digitalisierung findet man mit wenig Aufwand bei ‚Kommunen innovativ’, einem Angebot des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wieder.

 

Die inhaltliche Ausrichtung solcher Vorstöße wird dadurch nicht geschmälert. Solche Initiativen jedoch ohne Quellenangaben als eigenes Gedankengut zu plazieren, halte ich hingegen für bedenklich.

Die GAL-Fraktion hat sich mit ihren Änderungsanträgen zum Haushalt 2019 auf Felder konzentriert, in denen dringender Handlungsbedarf besteht:

  • Der Radverkehr muss als wichtiger, integraler und wachsender Bestandteil des gesamtstädtischen Verkehrswesens im Sinne der urbanen Mobilität berücksichtigt werden! Vielfach wird dem Autoverkehr noch uneingeschränkter Vorrang eingeräumt, wenn hier die Nutzung der Verkehrswege aufeinander treffen. Hier sehen wir enormen Handlungsbedarf, um Rahmenbedingungen wirksam und nachhaltig zu verändern! Das unserem neuen Technischen Beigeordneten eingeräumte Budget von 70.000 € erachten wir als Möglichkeit, auch Expertisen und Projektplanungen in diesem Segment zu entwickeln;
  • Die Wochenmärkte in beiden Stadtteile benötigen dringende Unterstützung, um als attraktive Anziehungspunkte und Frequenzbringer für die Innenstädte fortbestehen zu können! Hier gilt es, die Situation vor Ort zu analysieren, Möglichkeiten der Attraktivitätssteigerung zu entwickeln und hierbei positive Erfahrungen aus anderen Städten und Gemeinden aufzugreifen. Es wird unsere Innenstädte stärken, die Marktbeschicker wie auch die Kaufleute wirksam zu unterstützen und (Wochen-)Marktbesuche als echtes Erlebnis fortzuentwickeln. Hierbei setzen wir auf eine zielgerichtete Kooperation mit SMarT;
  • Eltern und Kinder sind angewiesen auf konkrete Unterstützung. Nicht irgendwann, sondern zeitnah. Umgehend. Deshalb sagen wir: wer es möglich machen kann, unverhältnismäßige Härten in der Abfallentsorgung nicht nur dauerhaft für pflegebedürftige Menschen, sondern auch zeitlich befristet für Eltern von Kleinkindern abzufedern und dadurch soziale Gerechtigkeit herzustellen, sollte entsprechend handeln! Das wäre auch in Steinfurt möglich. Bedauerlich, dass hierzu bei CDU, SPD, FDP und Bündnisgrünen keine Bereitschaft erzeugt werden konnte!
  • Auch ein zweites Beispiel verdeutlicht ganz konkret, dass Politik häufig viel zu sehr in Konzeptplanungen und –entwürfen das Glück sucht, in Ideen der Eigenbeschäftigung verhaftet bleibt und damit den Blick auf konkrete Lösungen verliert: wer an der Straßburger Straße schon vor zehn Jahren festgestellt hat, dass hier dringender Handlungsbedarf zur Steigerung des qualitativen Wohnumfeldes für Kinder besteht, in all der Zeit jedoch nicht dazu in der Lage war, diese herbeizuführen und nun glaubt, dass vor Beseitigung eines solchen Mißstands eine aufwendige Sozialraumanalyse erfolgen muß, der gewährt der eigenen Freude an Diskussion mehr Raum als einer konkreten Lösung für die dort lebenden Kinder. Ein enorm trister Vorgang.

Dramatisch ist das, was derzeit in Sellen vollzogen wird – aktiv durch den Kreis, Landrat Dr. Effing sowie die Kreistagsfraktionen von CDU, SPD und UWG. Stillschweigend mitgetragen allerdings auch durch Bürgermeisterin Claudia Bögel-Hoyer, die CDU, die SPD sowie die Mehrheit der FWS vor Ort: Menschen werden ihres Besitzes beraubt! Kurzerhand und ohne sachlichen Grund.

Die GAL-Fraktion hat dieses Horror-Szenarium in den zurückliegenden Jahren immer wieder thematisiert, Anwohner in der Friedenau fürchten um ihre Naherholung und den dramatischen, ökologischen Verlust. Und die Landwirte? Werden mittels vorzeitiger Besitzeinweisung ihres Grund und Bodens beraubt.

Nun wird es wohl so kommen: mehr als 2,5 Millionen Euro müsste unsere Stadt zum Bau der Westtangente beisteuern. Eine Summe, die den Finanzplan massiv belastet. Nicht ein Quadratmeter der erforderlichen Fläche befand sich bis letzter Woche im Besitz des Kreises. Nun schafft der Kreis Fakten.

CDU und SPD vor Ort ducken sich weg wie unsere Bürgermeisterin auch. Eine klare Stellungnahme wird bis heute schmerzlich vermißt. Stattdessen soll sich der Kreis die Finger schmutzig machen und die Vollziehung durchsetzen.

Im Wege der vorzeitigen Besitzeinweisung. Somit haben die Landwirte keine Verfügungsgewalt mehr über ihr Land. Nur Steuern zahlen dürfen sie noch – schließlich bleiben die Flächen ja in ihrem Eigentum. Bei der Berechnung von Prämien dürfen die Flächen jedoch nicht mehr berücksichtigt werden. Nutzer und Besitzer ist ja nunmehr der Kreis.

Das Winterfutter für die Kühe hat der Kreis bereits umgepflügt und Fachdienstleiter Stefan Albers erklärt im Planungsausschuss, dass alles nicht so schlimm sei, weil die Landwirte ja vorerst Eigentümer der Flächen bleiben. Unglaublich, unfassbar.

Ist das so gewollt, liebe KollegInnen von CDU und SPD? Entspricht ein solches Ergebnis ihrem Bild vom Umgang mit unseren Bürgerinnen und Bürgern, mit Familienbetrieben, die hier ihre Steuern zahlen?

Sie tragen hier im Rat der Stadt die vorzeitige Besitzeinweisung mit – und damit die Vorstufe einer Enteignung. Aber auch den schnellen Landraub: schließlich setzt eine vorzeitige Besitzeinweisung voraus, so die geltende Rechtsprechung, „dass das öffentliche Interesse an der Ausführung des Vorhabens ein solches Gewicht besitzt, dass für den Fall des Abwartens des regulären Enteignungsverfahrens wesentliche Nachteile drohen.“ Diese können wir im Fall der Westtangente keinesfalls erkennen.

Ihnen ist wie uns bewusst: die Westtangente soll seit vielen Jahren kommen:

  • Zunächst als überregionale Straße geplant, der aber von Beginn an die überregionale Bedeutung und Funktion abgesprochen wurde;
  • Dann als Option der Entlastung der vorhandenen Infrastruktur und des inneren Rings – hier zitiere ich das gültige Verkehrsgutachten auf Seite 83: „Eine spürbare Entlastung des Straßenhauptnetzes – insbesondere des hufeisenförmigen Innenstadtringes A.-Koenig-Straße / Mühlenstraße / Europaring – wird nur durch die vollständige Fertigstellung der K 76n (1. bis 3. BA) erreicht.“ Für die Unerfahreneren unter uns: eine Westtangente könnte nur dann hilfreich sein, wenn nicht nur bis zur Leerer Straße, sondern bis zum Auffahrbauwerk in Dumte durchgebaut werden würde. Totale Utopie! Und gutachterlich festgestellt, dass eine „spürbare Entlastung“ der Innenstadt nicht eintreten wird.
  • Nun als Maßnahme zur Verhinderung von Verkehrsunfällen an der Leerer Straße. Damit wird die Argumentation dann aber schon ausgesprochen dünn.

In Sellen geht es um Landraub. Menschen in unserer Stadt werden ihrer Existenzgrundlage beraubt. Das zerstört das Vertrauen in die Politik und in Institutionen. Insbesondere dadurch, dass auch die CDU immer signalisiert hat, dass Enteignungen nicht in Betracht kommen.

Unser Antrag, die erforderlichen Mittel von rd. 2,5 Mio. € nicht zu verausgaben, sondern stattdessen mit einem Sperrvermerk zu versehen, um wieder in konstruktive Gespräche einzutreten, war ein Versuch, Vertrauen wieder herzustellen. Auch das schlagen Sie aus.

Der Haushalt muss somit ohne unsere Unterstützung auskommen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, der Presse für ihre sachliche Berichterstattung, der Verwaltung für eine konstruktive Beratung des Haushaltes und insbesondere Herrn Meyer für eine überaus gelungene Premiere als Fachdienstleiter während der letzten Wochen!