Positionen zur BürgermeisterInnennominierung

2003-11-24 Bewerbungsrede von Ingeborg Rowedda

Steinfurt steht mit der Kommunal- und der BürgermeisterInnenwahl im September nächsten Jahres vor wichtigen, zukunftsweisenden Entscheidungen: Schaffen wir es aus eigener Kraft, die unbestritten vorhandene Krise zu bewältigen und gemeinsam mit den SteinfurterInnen eine Zukunftsperspektive zu entwickeln? Gelingt es uns, Vertrauen für die Entscheidungen von Politik und Verwaltung zurückzugewinnen? Und sind auch wir in Steinfurt endlich bereit, die Menschen stärker an Entscheidungen zu beteiligen und gemeinsam mit den BürgerInnen ein zukunftsfähiges Konzept der Stadtentwicklung aufzubauen?

Steinfurt hat das Potential, sich selbst für die Zukunft fit zu machen. Dazu müssen aber folgende Dinge klar sein:

    • Rat und Verwaltung müssen bereit sein, die BürgerInnen stärker als bisher an ihrer Entscheidungsfindung zu beteiligen;

 

    • Der/ die BürgermeisterIn muss die Verwaltung motivierend führen und die BürgerInnen zum Dialog mit Politik und Verwaltung ermutigen;

 

    • Die SteinfurterInnen müssen die Chance nutzen, ihre Stadt zu entwickeln, Bewährtes zu bewahren und Neues aufzubauen;

 

Als Bürgermeisterkandidatin ist es mir wichtig, die Kompetenzen der MitarbeiterInnen der Verwaltung und deren Eigenverantwortlichkeit und Kreativität zu nutzen, und mit den personellen Ressourcen sorgfältig umzugehen. Den Verschleiß hochqualifizierter Kräfte – wie bei den Ersten Beigeordneten Arnold Terhalle und Tanja van Lindt – kann und darf sich die Stadt nicht mehr erlauben.

Die Verwaltung ist eine Institution, die stabil mit MitarbeiterInnen, die bis zu 45 Jahren dort arbeiten, funktioniert. Eine Bürgermeisterin, die von außen für einen Zeitraum von fünf Jahren kommt, wird Zeit benötigen, um die internen Strukturen und deren Arbeitsprozesse zu erfassen, um gegenseitiges Vertrauen zu entwickeln, um Anerkennung zu gewinnen und um dann Entscheidungen treffen zu können.

Mein Ziel ist es, in Kooperation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und der politischen Vertretung – Rat und Fachausschüssen – gemeinsame Handlungsebenen zu finden, die Steinfurt zum Wohnen, Lernen, Arbeiten und für die Freizeit langfristig attraktiv macht. Dabei müssen die Steinfurter BürgerInnen eng einbezogen werden, denn für diese arbeiten Verwaltung und Rat. Hier Vernetzungen und Austauschmöglichkeiten zu schaffen, ist ein Ziel. Steinfurt braucht endlich eine ernsthafte Beteiligung von BürgerInnen an der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung. In der Vergangenheit sind engagierte MitbürgerInnen, die sich – ebenso wie Fraktionen und Verwaltung – an der Lösung von Problemen oder der Entwicklung von Zukunftsperspektiven beteiligen wollten, ausgebremst oder ignoriert worden; beispielhaft seien hier die ‚Lokale Agenda’, die Bürgerbeteiligung zum Regionale-Projekt Bagno, der Kulturring Steinfurt, das Stadtmarketing oder verschiedene Anliegergemeinschaften erwähnt.

Bürgerengagement stellt ein unvergleichbar hohes Gut für die Entwicklung einer Kommune dar. Deshalb muss alles daran gesetzt werden, Transparenz herzustellen, BürgerInnen in Entscheidungen einzubeziehen, Angebote zur Mitarbeit zu machen und dadurch die Identifikation der Menschen mit unserer Stadt Steinfurt zu erhöhen. Auch hierzu nur einige Beispiele: der Umbau der Verwaltung zu einem Servicebetrieb, die Arbeit an einem BürgerInnenhaushalt, der Ausbau des ehrenamtlichen Engagements, die Schaffung von Stadtteilbeiräten und die Beteiligung der SteinfurterInnen an einem Entwicklungskonzept für die Stadt. Wohin die Reise für die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung hingehen soll, ist schnell klar. Ob die BürgerInnen sich mit diesen Zielen identifizieren können, noch lange nicht.

Umso wichtiger ist es, eine Stadt nicht nur zu verwalten, sondern aktiv daran zu arbeiten, dass sich mehr BürgerInnen beteiligen und in ihrer Meinung ernst genommen fühlen: Was ist mit den Belangen gehandicapter Menschen? Was wird aus dem Ausländerbeirat? Wie können Jugendliche ihrer Meinung Gehör verschaffen? Warum klappt die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Feuerwehr, SchulleiterInnen sowie Werbegemeinschaften nicht reibungslos? Wo bleibt das Gemeinsame? Und ist es nicht die Pflicht des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin, die zum Teil unterschiedlichen Interessen zusammenzuführen und gemeinsame Perspektiven zu entwickeln? Ich stehe hier zur Verfügung.

Gleichzeitig ist es unverzichtbar, mit übergeordneten Behörden – mit dem Kreis und der Bezirksregierung, sicherlich auch mit dem Land – konstruktiv zusammenzuarbeiten. Öffentliche Kritik, Schelte und Auseinandersetzungen über die Presse erscheinen mir hierbei der denkbar falsche Weg zu sein.

Interdisziplinäres Arbeiten in der Verwaltung und in der Politik ist ein weiteres Ziel, um die vorteilhaften kleinstädtischen Strukturen auszunutzen und – gestützt auf Nachhaltigkeit – zu planen. Deshalb müssen auch in Steinfurt gewohnte Pfade in Frage gestellt, vielleicht auch verlassen werden. Sinnvoll ist es, nicht nur in einem Fachausschuss ein Problem anzugehen, sondern Planungen so anzulegen, dass sie quer durch alle Zusammenhänge des Zusammenlebens die Planungsstrukturen erforschen. Ein Beispiel: Die offene Ganztagsschule ist nicht nur eine rein schulische Angelegenheit sondern auch eine Frage der Sozialpolitik sowie der Kinder- und Jugendhilfe und der baulichen Gestaltung der Einrichtungen.

Wohnbaugebiete müssen so entwickelt werden, dass sie langsamer erschlossen werden und dass Kriterien angelegt werden, z.B. dass sich unterschiedliche Generationen ansiedeln und für diese attraktive Wohnangebote geschaffen werden. Die Entwicklung völlig homogener Baugebiete stellt mittel- und langfristig für jede Stadt ein ernsthaftes Problem dar. Dass barrierefreies Bauen unterstützt wird, um langfristig die Häuser und Wohnungen bewohnen zu können, ist eine Antwort auf die Frage der langfristigen Nutzbarkeit von Wohnraum. Solche Überlegungen sind sinnvoll, um Monokulturen zu verhindern.

Die Stadt Steinfurt wird in den kommenden Jahren entscheidende Fragen beantworten müssen:

    • Belebt oder hindert der großflächige Einzelhandel (“Steinfurter Tor”, “famila”) die Innenstädte?

 

    • Brauchen wir Umgehungsstraßen (Westtangente Burgsteinfurt, Osttangente Borghorst), um unsere Verkehrsengpässe zu beheben?

 

    • Wie gelingt es uns, ein vorhandenes Angebot der Infrastruktur im Bereich von Jugend, Sozialem und Sport auch unter schwierigen finanziellen Bedingungen zu erhalten?

 

    • Wie schaffen wir es, den Ausbau regenerativer Energien im Stadtgebiet wirkungsvoll voranzutreiben um unseren Beitrag zum Umbau der Energieversorgung zu leisten?

 

    • Und kann es uns gelingen, die SteinfurterInnen für eine Weiterentwicklung ihrer Stadt zu gewinnen?

 

Ich bewerbe mich um das Amt der Bürgermeisterin – es mag für die SteinfurterInnen nicht bequemer werden. Aber dass es offener, transparenter, nachvollziehbarer und motivierender wird, das garantiere ich.

Ingeborg Rowedda