Rede zum Haushalt 2006

Grün-Alternative Liste (GAL) Steinfurt

– Fraktion im Rat der Stadt –

 

Christian Franke, Fraktionssprecher

Sandweg 77

48565 Steinfurt

Tel.: 02552-995757 oder 0177-6000896

Rede zum Haushalt 2006

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,

vor uns liegt ein Haushalt, in dem ein Loch von über 3,42 Mio. € klafft, 780.000 € Defizit allein aus diesem Jahr. Der Schuldenstand Steinfurts liegt mittlerweile bei über 62 Mio. € und übersteigt das Volumen des gesamten Verwaltungshaushaltes eines Jahres um mehrere Millionen €. Und auch der Haushalt dieses Jahres trägt nicht dazu bei, diesen Schuldenberg abzutragen.

Macht die CDU/ FDP-Landesregierung ihre Ankündigung wahr, die Investitionspauschale um 20 v.H. zu kürzen, fehlen der Stadt sofort weitere 130.000 €. Setzt die Landesregierung dann noch ihren angekündigten Kahlschlag im Jugendbereich um, trifft es die Jugendeinrichtungen und -verbände in Steinfurt mit weiteren 100.000 €.

In der Vergangenheit reichte die Beschreibung der Löcher schon für eine Haushaltsrede aus. Heute will ich mich in der Haushaltsrede der GAL-Fraktion zum Haushalt 2006 dem Weg aus den Löchern zuwenden.

Es gibt zwei Arten von Löchern: die Tunnel und die Höhlen. Im einen Fall hat man einen Weg, der geradlinig vom Eingang aus zum Licht am Ende des Tunnels führt, man muss nur mutig immer weiter ins Dunkle hinein, aber irgendwann sieht man dann den Lichtschimmer am Ende.

Anders bei Höhlen. Sie haben oft gar keinen zweiten Ausgang und selbst wenn es einen gibt, so sind schon Menschen in Höhlen verhungert, weil sie ihn nicht gefunden haben. In Höhlen läuft man im Kreis oder in Sackgassen und oft völlig im Dunkeln.

Als wir vor einigen Jahren erneut ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen mussten, da hielten viele hier das für einen Tunnel, der uns nach ein paar dunklen Jahren direkt wieder ins Licht führen würde. Unser heutiger Haushalt hat leider gar nichts von so einem schönen Tunnel, er gleicht vielmehr einer völlig unübersichtlichen Höhle, aus der es scheinbar keinen Ausweg gibt.

Zumindest, wenn man den Haushaltsberatungen der Fraktionen Glauben schenkt: Sie sind das Konzept für den geordneten Absturz ins Bodenlose. Bis es eines Tages – genau wie in dem beschaulichen Örtchen Niemegk in Brandenburg bei Potsdam – kommt: Dort konnten die Gehälter schon im Januar nicht mehr ausgezahlt werden und Rechnungen können wegen Zahlungsunfähigkeit nicht mehr beglichen werden. Aber noch ist Steinfurt ja guter Kunde bei den Kreditinstituten. Und so werden die Steinfurter Bürgerinnen und Bürger in diesem Jahr satte 2,93 Mio. € allein für Zinsen aufbringen müssen.

Wie kann Steinfurt aus dieser Höhle wieder herauskommen? In solchen ausweglosen Situationen spielen Menschen erfahrungsgemäß erst einmal das unterhaltsame Spiel: “Suche nach dem Schuldigen”. Der sitzt je nach Parteibuch im Kreis oder in Düsseldorf oder Berlin aber ganz bestimmt nicht an unserem Tisch. Natürlich ist die Kreisumlage viel zu hoch. Natürlich wälzen Bund und Land immer mehr Aufgaben und die damit verbundenen Kosten auf die Gemeinden ab. Aber sollte sich ein selbstbewusster Stadtrat deshalb in Lethargie üben und aufhören, über Einsparungspotentiale nachzudenken? Wir meinen: Nein – auch wenn solche Beschlüsse unpopulär sind und die Betroffenen mobilisieren.

Unsere Einsparungsvorschläge – vom Verkauf städtischer Immobilien, über die Verschiebung von Straßenausbauten bis hin zu einem breit angelegten Konzept der Energieeinsparung und damit verbundenen Kostenreduzierung – konnten in diesem Jahr noch nicht im Haushalt verankert werden. Wir sind insbesondere Bürgermeister Andreas Hoge dankbar dafür, dass er sich diesen Ansätzen nicht verschließt und bereit ist, die auch innerhalb der Stadtverwaltung vorhandenen Widerstände zu überwinden.

Ein anderes Spiel in der Höhle heißt “Irrlichter anzünden”. Im letzten Jahr beschlossen die Fraktionen von CDU, SPD und Bündnisgrünen ein Haushaltssicherungskonzept, das u.a. die Einführung der Parkraumbewirtschaftung vorsah. Heute gilt das nicht mehr, “Verzicht auf Parkgebühren” heißt die Devise – in der Sache richtig aufgrund der folgenschweren Zugeständnisse an die Herren Stroetmann, Holz und Otto – nur einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung brachte keine der Fraktionen ein. Das ist unsolide.

Zum Glück konnte wenigstens unser Antrag, die Parkgebühren rund ums Bagno auszuweiten und zu erhöhen (den die CDU und die Bündnisgrünen so gelungen fanden, dass sie ihn auch gleich als eigenen Antrag einbrachten), durchgesetzt werden, so dass hier rund 40.000 € zusätzlich eingenommen werden können.

Heftiger als die Kaufleute und deren Kunden trifft es ab diesem Jahr die Sporttreibenden und -vereine: Noch kurz vor der Kommunalwahl waren Sportstättengebühren tabu, galten als “unsozial” und “unvertretbar”. Und heute? Die GAL steht weiter zu ihrem Wort, keine Gebühren zu erheben – leider als einzige Fraktion des Stadtrates. Ungehört bleiben die Mahnungen der Sporttreibenden, die Sorge um den Verlust von Mitgliedern in den Vereinen, die weitere Beitragserhöhungen nicht verkraften können, die Bitten des Stadtsportverbandes und die Anregungen aus dem Bürgerhaushalt. Wir befürchten, dass hier eine Stellschraube eingerichtet wird, an der sich ganz nach Belieben und Haushaltslage weiter drehen lässt. Die CDU hat sich vor der Wahl als Verhinderer der Sportstättengebühr inszeniert – heute wissen wir, dass es sich hierbei um blanken Populismus handelte.

Wir sind froh, dass es gelungen ist, die Arbeit der Suchtberatungsstelle – auf Antrag der GAL und durch einen einstimmigen Beschluss – abzusichern. Die zunächst im Haushaltsentwurf beabsichtigte Streichung des städtischen Zuschusses hätte dazu geführt, dass die Stadt heroinabhängige, methadon-substituierte Menschen, Spielsüchtige und alkoholabhängige Mitbürger im Regen stehen lässt – unerträglich und unvertretbar.

Auch für die Feuerwehr hat meine Fraktion klar und erfolgreich Flagge gezeigt: Die Feuerwache in Burgsteinfurt wird endlich umgebaut und saniert, für die dringend notwendige Beschaffung eines Löschfahrzeuges sowie eines Rüstwagens stehen in diesem Jahr 600.000 € bereit. Die Feuerwehr darf nicht zu einem Spielball nach Kassenlage werden, sie hat es nicht verdient, dass ihr öffentlich Verschwendung unterstellt wird oder ihre unverzichtbare Arbeit durch unüberlegte Äußerungen in Misskredit gezogen wird. Der Feuerschutz ist eine Pflichtaufgabe der Stadt und wir können froh und dankbar sein, dass wir uns auf eine freiwillige Wehr verlassen können. Anstatt über unsinnigen Westtangenten-Träumen zu brüten, sollten sich die Fraktionen lieber dafür interessieren, ob ihre Feuerwehr überhaupt noch einsatzfähig ist. Aber es bleibt zu hoffen, dass der jüngste Austausch mit der Wehrleitung zu einem anderen Miteinander führen wird.

Steinfurts Bäder sollen erhalten werden. Dieser Forderung des jüngst gegründeten Fördervereins schließt sich die GAL-Fraktion mit aller Kraft an. Dass hierzu weitere Maßnahmen zur Reduzierung des Zuschussbedarfes erforderlich sind, ist unzweifelhaft. Auch hierzu hat meine Fraktion solide Änderungsanträge eingebracht, die schleunigst im Werksausschuss zu beraten sind. U.a. wird an einer moderaten Erhöhung der Eintrittspreise kein Weg vorbeiführen. Den Preis von vier € für eine Tageskarte – wie von der CDU gefordert – halten wir jedoch für überteuert, gerade auch im Vergleich mit anderen Bädern in der Region. Wir stehen auch hier zu unsrem Wort: Die Bäder sind zu erhalten, sie sind ein wesentlicher Standortfaktor unserer Stadt – gerade auch mit Blick auf eine touristische Ausrichtung. Mögliche Einsparungen und Mehreinnahmen sind in den kommenden Jahren für dringend erforderliche Investitionen zweckgebunden bereitzustellen. Nur so können wir den Betrieb der Bäder wirklich absichern.

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass durch den Haushalt 2006 endlich wirksam in die Spielplätze unserer Stadt investiert wird: Neben der Ausstattung der Plätze an der Heinestraße, der Balduinstraße, der Kolbergstraße, am Timmerkamp und am Melkeweg stehen 50.000 € für Ersatzbeschaffungen zur Verfügung. All diese Maßnahmen sind dringend erforderlich und finden die ungeteilte Zustimmung der GAL-Fraktion. Wir erwarten jedoch ebenfalls in diesem Jahr die Herrichtung des Spielplatzes an ‚Bödding’s Hof’ und eine Ausgestaltung der Freizeitfläche am Sandweg, die den Interessen von Anwohnern und Kindern entspricht.

Ein Ausbau der Hauptschulen zu gebundenen Ganztagsbetrieben wird von der GAL-Fraktion unterstützt. Diese Investitionen sind – gerade mit Blick auf die Ergebnisse der PISA-Studien – dringend angezeigt, auch wenn sie das dreigliedrige Schulsystem manifestieren. Die auf der Landesebene angezettelten Debatten über das Schulwesen und die zukünftige Umgestaltung lassen Böses erahnen und ich prophezeie, dass andere Fragestellungen auch hier weniger harmonisch diskutiert werden.

Dass das Projekt “fifty/fifty” nun auch in Steinfurt Schule macht, ist dem Antrag der GAL und dem Einsatz von Bürgermeister Hoge zu verdanken. Dieses in vielen Kommunen erfolgreich umgesetzte Modell bietet die Chance, Kindern frühzeitig Umwelt- und Kostenbewusstsein zu vermitteln, die Energiekosten für die Stadt nachhaltig zu senken und den Schulen Gelder zur freien Verfügung zu verschaffen. Nun braucht es Mut und Entschlossenheit, die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten und Schulen, die Interesse haben, unnützen Energieverbrauch einzuschränken und sich dann – ohne jeden weiteren Sponsorenlauf – einen langersehnten Wunsch zu erfüllen. Wir sind überzeugt: Wenn Rat und Verwaltung sich nicht querstellen, wird “fifty/ fifty” auch in Steinfurt ein Erfolg!

Steinfurt muss seine Finanzen konsolidieren – diese zwangsweise Erkenntnis scheint auch in den meisten anderen Fraktionen zu reifen. Daher wird zur Zeit über weitere Lustobjekte und Großprojekte wenig diskutiert. Einfache und kostengünstige Lösungen sind angesagt. Das gilt auch für die unbestritten erforderliche Fuß- und Radwegeverbindung zum neuen Stadion in Burgsteinfurt. Für üppige Ausbauten fehlt das Geld ebenso wie für Bahnhofsverlagerungen – das werden die Letzten hoffentlich auch noch begreifen. Gleiches gilt aber auch, geschätzte Vertreter von CDU, SPD und FWS, für die (alp-)traumhafte Westtangente. Sie ziehen den Sportlern Gebühren aus der Tasche, glauben aber, für dieses 16 Mio. €-Vorhaben noch flüssig zu sein?

Zurück zu den Höhlen: Irrt man orientierungslos durch die verschlungenen Gänge, ist es wenig hilfreich, aufzugeben und sich hinzukauern. Man ist gut beraten, jede Chance zu nutzen, die missliche Situation aus eigener Kraft zu überwinden und den Versuch zu unternehmen, wieder ans Tageslicht zu gelangen. Wir haben den Eindruck, dass Bürgermeister Hoge die sich bietenden Chancen nutzen will: Ob Schuldenmanagement, Sponsoring aus der Privatwirtschaft, Zweitwohnungssteuer und damit zusammenhängende höhere Schlüsselzuweisungen oder “fifty/fifty” – Herr Bürgermeister, ich möchte mich im Namen meiner Fraktion für Ihren unermüdlichen Einsatz bedanken und setze darauf, dass Sie sich weiter für eine konstruktive Kooperation der Stadt mit ihren Bürgerinnen und Bürgern stark machen und das ehrenamtliche Engagement u.a. auch im Stadtmarketingprozess tatkräftig unterstützen.

Der Bürgerhaushalt, von der GAL seit langer Zeit gefordert und nun erstmalig umgesetzt, scheint ein Erfolgsmodell zu werden: 300 Bürgerinnen und Bürger haben ihre Bereitschaft bekundet, an diesem Projekt mitzuarbeiten. Die Resonanz auf die beiden Foren ist eindeutig: Fast 90 % der TeilnehmerInnen bewerteten die Veranstaltungen als gut bzw. sehr gut, ebenso viele erklärten ihr Interesse, auch in der Zukunft am Bürgerhaushalt mitzuarbeiten. Und auch die MitarbeiterInnen der Verwaltung, die diese Abende hervorragend gestaltet haben, verdienen ein besonderes Lob.

“Und tschüß”, mit dieser saloppen Floskel wird der Rat in wenigen Minuten den Haushalt für das Jahr 2006 beschließen. Danach, so darf mit Blick auf die Haushaltsberatungen in den letzten Wochen vermutet werden, wird eine zentnerschwere Last von den Schultern der Fraktionen fallen. Und so manch einer wird leise seufzen: “Endlich ist es vorbei, Spaß gemacht hat es ohnehin nicht.”
Nun sitzen wir alle nicht hier, damit unsere Lebensfreude gesteigert wird. Unser Auftrag besteht darin, Einnahmen und Ausgaben des Etats ins Lot zu bringen, um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt sicherzustellen.

Unseres Erachtens ist der Rat der Stadt dieser Aufgabe in den zurückliegenden Beratungen bei weitem nicht gerecht geworden. Schon im letzten Jahr haben wir die Haushaltsberatungen 2005 als Kapitulation vor den anstehenden Herausforderungen kritisiert. Am Ende der Etatberatungen 2006 empfehle ich: Wer keine Lust mehr hat, einen Beitrag zur Lösung unserer Finanzprobleme zu leisten, der möge sein Ratsmandat niederlegen.

Die GAL-Fraktion wird dem Haushalt 2006 zustimmen – trotz erheblicher Kritik an den nicht erforderlichen Sportstättengebühren. Dem Investitionsprogramm verweigern wir wegen der veranschlagten Mittel für die Westtangente unsere Zustimmung.

Zum Schluss möchte auch ich die Gelegenheit nutzen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die konstruktive und sachliche Zusammenarbeit im letzten Jahr und während der Haushaltsberatungen zu danken. Mein Dank gilt den Redakteurinnen und Redakteuren beider Tageszeitungen für ihre Berichterstattung – während und außerhalb der Haushaltsberatungen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.