Vom Hof gejagt

03.11.2010 Quelle: Münstersche Zeitung |Von Matthias Lehmkuhl


Burgsteinfurter Landwirte hindern Vermessungstruppe an ihrer Arbeit

BURGSTEINFURT Sprichwörtlich vom Hof gejagt wurden am Mittwochmorgen drei Mitarbeiter des Kreis Steinfurt, die schon seit Dienstag in der Bauerschaft Sellen mit Vermessungsarbeiten für die
geplante Westtangente beschäftigt waren.

“Wir haben ihnen deutlich gemacht, dass sie nach unserer Ansicht kein Recht haben, ohne das Einverständnis des Eigentümers auf dessen Privatgrund Vermessungen durchzuführen”, erklärte Johann Prümers.

Der LOV-Vorsitzende und Vorsitzende des WLVKreisverbandes war mit rund 20 Landwirten auf dem Hof
von Hermann Becker in Sellen 18 zusammengekommen. Sie alle wurden im Vorfeld per Rundruf verständigt.

Anschließen wanderte die Gruppe zum Acker, wo sich die Vermessungstruppe aufhielt. Die Flächen des
Burgsteinfurter Landwirtes werden von der zukünftigen Trassenführung der geplanten Westtangente tangiert.

Solidarität

“Wir vom LOV haben unseren insgesamt sechs betroffenen Kollegen versprochen, sich für sie einzusetzen und wenn nötig, sie mit all unseren Kräften zu unterstützen”, betonte Johann Prümers.

Gleich beim ersten Versuch des Kreises Steinfurt, erste Vorarbeiten für das nicht nur bei den Landwirten
umstrittene Straßenbauprojekt zu tätigen, hat die selbst eingerichtete “Task-Force” (Einsatzverband) mit ihrem “Heißen Draht” funktioniert.

Kurze Diskussion

Nach kurzer Diskussion und Darstellung des Sachverhaltes, hätten die drei Mitarbeiter des Kreis Steinfurt unverrichteter Dinge ihre Vermessungsarbeiten eingestellt und mit ihrem Fahrzeug das Areal verlassen. “Nur ein paar Arbeitsmaterialien haben sie stehen lassen”, zeigte der LOVVorsitzende auf ein Messgerät, das noch im Ackerboden steckte.

Allerdings waren die Landwirte nicht ganz unvorbereitet. Der Kreis Steinfurt habe die sechs betroffenen Bauern benachrichtigt, dass Mitarbeiter auf ihrem Gelände Vermessungen durchführen werden. “Dabei hat sich der Kreis auf die Duldungspflicht berufen”, so Prümers.

Die wiederum regelt, dass eine Behörde den Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks zur Duldung festgesetzten Entwicklungsmaßnahmen verpflichtet, wenn die zu duldende Maßnahme nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen in der Nutzung oder Bewirtschaftung des Grundstücks führt.

Jetzt befürchten die Burgsteinfurter, dass beim nächsten Vermessungsversuch die Polizei dabei sein wird. “Das hat man uns jedenfalls seitens des Kreises angedroht”, unterstrich der LOV-Vorsitzende.

Von der seit Dienstag stattfindenden Vermessung ist nur ein Relikt überig geblieben.Burgsteinfurter Landwirte – an der Spitze LOV-Vorsitzender Johann Prümers (6.v.r.) – jagten am Mittwochmorgen drei Vermessungsingenieure des Kreis Steinfurt vom Anwesen Hermann Becker in Sellen 18. (Foto: Lehmkuhl)

 


Kreis macht sich vom Acker


03.11.2010 Quelle: Westfälische Nachrichten |VON DIRK DRUNKENMÖLLE, STEINFURT


Burgsteinfurt – Am liebsten hätten sie Gülle aufgebracht, um die Mitarbeiter der Kreisverwaltung vom Acker zu vertreiben. Doch zu diesem zum Himmel stinkenden Mittel mussten die Bauern nicht greifen. Freiwillig packten die drei Männer vom Kataster- und Vermessungsamt ihre sieben Sachen ein und traten
(kommentarlos) den Rückzug an. Hofeigentümer Hans-Gerd Becker hatte sie zuvor freundlich aber bestimmt aufgefordert, seinen Grund und Boden zu verlassen und ihre Arbeit einzustellen. „Das geschieht hier gegen meinen Willen“, erklärte Becker den verdutzten Kreisbediensteten, die wiederum erklärten, auch
nur einen Auftrag erfüllen und ihren Job erledigen zu wollen. Ein paar Worte wurden noch gewechselt, dann war die Sache eigentlich schon erledigt und die Bauern erstaunt, wie schnell sie zum Erfolg gekommen waren.

LOV-Vorsitzender Johannes Prümers hatte Berufskollegen und Westtangenten-Gegner gestern Morgen kurzerhand zusammengetrommelt, um Becker den Rücken zu stärken ein deutliches Signal des Widerstandes gegen die Pläne des Kreises und der Stadt zu setzen, eine neue Kreisstraße zur Entlastung der Innenstadt und zur Anbindung der Fachhochschule in Burgsteinfurt zu bauen. Politisch und fachlich sei das Projekt nicht legitimiert, erklärte Prümers die Aktion, sich gegen die Planungen weiter zu wehren. „Die Bauern sind nicht bereit, ihre Flächen zu opfern“, fügte Ortslandwirt Gerd Meinikmann an, der genauso wie Prümers befürchtet, dass den sechs betroffenen Grundstückseigentümern mit einem Planfeststellungsverfahren die Enteignung droht, wenn sich die Fronten nicht klären lassen. Der LOV-Chef wiederholte in diesem Zusammenhang seine Befürchtungen, dass das Straßenbauprojekt, dessen Bedeutung Landrat Thomas Kubendorff bei der Einbringung des Kreishaushaltes in der vergangenen Woche noch einmal betont hatte, die Existenz der betroffenen Höfe bedrohe und das
die in den Gutachten ermittelten Verkehrsaufkommen einen Ausbau nicht rechtfertigen würden. „Aber mit uns redet ja niemand“, warf Prümers insbesondere der Politik vor, dass sie sich vor den Landwirten in Deckung gebracht habe.

Franz Niederau reagierte auf die Aktion gelassen. „Wir kommen ganz bestimmt bald wieder“, kündigte der Kreisbaudezernent an. Er rechtfertigte die Vermessung als Teil eines ganz normalen technischen Verfahrens und der
Bestandsaufnahme, die man notfalls auch aus der Luft durchführen könne. „Wir müssen unsere Arbeit machen, wollen aber keinen Streit“, versuchte Niederau die Gemüter zu beruhigen.

Unterdessen verdichten sich die Hinweise, dass Politiker und Planer eine Verkleinerung des Projekts nicht länger ausschließen und bereit sind, Abstriche zu machen. Konkret würde das bedeuten, dass die neue Straße nur bis zur Fachhochschule gebaut und der Bogen zur Leerer Straße fallen gelassen wird. Das wiederum, so wird befürchtet, würde andererseits den Schleichverkehr durch die Wohngebiete fördern.

Die Bauern lehnen auch eine abgesteckte Lösung ab. Prümers verweist in diesem Zusammenhang immer wieder auf Flächen an der Ochtruper Straße, wo seiner Meinung nach ausreichend Entwicklungsmöglichkeiten mit unmittelbarer Anbindung an die B 54 zur Verfügung stünden, um die Erweiterung der FH zu realisieren.

 

Bauern und Westtangenten-Gegner haben die Mitarbeiter der Kreisverwaltung gestern Vormittag am Hof Becker in Sellen gestoppt, ihre Vermessungsarbeiten für die Westtangente fortzusetzen.Foto: Drunkenmölle)