11.06.2012 Fraktionsbericht
“Wenn sich der Rat der Stadt aktuell damit auseinandersetzt, ob Straßen, deren
Namensgeber in mehr oder weniger enger Verbindung zum Gedankengut und den
Gräueltaten der Nationalsozialisten standen, ist dieser Prozess sicherlich
längst überfällig. Entscheidend ist aber, dass diese Aufarbeitung überhaupt
erfolgt.” GAL-Fraktionssprecher Christian Franke begrüßte zu Beginn der
Beratungen seiner Fraktion zu diesem Thema, dass die Politik zu einer
einvernehmlichen Haltung gelangt sei: in Steinfurt sollen keine Personen durch
eine nach ihnen benannte Straße geehrt werden, die in der Zeit der Nazi-Diktatur
aktiv menschenverachtende, völkische und rassistische Ideologien vertraten.
Sowohl Karl-Wagenfeld als auch Friedrich Castelle zählen nach den nunmehr
vorliegenden Erkenntnissen unzweifelhaft zu den Wegbereitern und Wegbegleitern
des Nationalsozialismus. “Die Belege hierfür sind vielfältig”, berichtet
GAL-Ratsherr Gebhard Niehus. Schon nach kurzer Recherche finde man reichlich
Belege dafür, dass sowohl Wagenfeld als auch Castelle überzeugte Verfechter der
Blut-und Boden-Ideologie der Nationalsozialisten gewesen seien – Mitglied der
NSDAP wurden beiden schon 1933 im Alter von 64 bzw. 54 Jahren.
Aber auch Hermann Stehr, Namenspatron der Stehrstraße im Stadtteil Burgsteinfurt,
sei den Nationalsozialisten verbunden gewesen. So rechtfertigte und propagierte
er den so genannten Röhm-Putsch, bei dem im Jahr 1934 200 in einer von Adolf
Hitler und Hermann Göring lange vorbereiteten Mordserie innerparteiliche
Widersacher getötet wurden, in der Deutschen Allgemeinen Zeitung. Daniel Bracht,
Anwohner der Stehrstraße, erläuterte in der Fraktionssitzung der GAL seinen
Vorschlag, die Straße zukünftig nach Joachim Ringelnatz zu benennen, dessen
Bücher von den Nazis verbrannt wurden und der selbst, 1933 mit Auftrittsverbot
belegt und 1934 – verarmt – an Tuberkulose verstarb.
“Straßennamen dokumentieren immer auch öffentlich, mit welchen Persönlichkeiten
sich eine Stadt identifiziert, wem sie in dieser Weise Respekt und Anerkennung
zollt”, weist GAL-Ratsfrau Lydia Zellerhoff auf die besondere Verantwortung der
Kommune in solchen Fragen hin. Daher sei die Auswahl solcher Namensgeber immer
auch ein Aushängeschild der Stadt Allein schon deshalb, aber auch um sich von
der rassenideologischen, menschenverachtenden Einstellung abzugrenzen, sei eine
Umbenennung solcher Straßen unausweichlich.
Die GAL sieht aber auch die Stadt in der Pflicht: “Derartige Entscheidungen
dürfen nicht zu Lasten der Anwohner getroffen werden. Deshalb sind die Anlieger
durch konkrete Maßnahmen zu unterstützen, um die mit einer Namensänderung
unvermeidbaren Belastungen so gering wie eben möglich zu halten.”