Erklärung zum Miteinander um die Villa Heimann!

13.02.2014

GAL
Fraktion im Rat der Stadt Steinfurt
Christian Franke, Fraktionssprecher
Sandweg 77
48565 Steinfurt

Steinfurt, den 13. Februar 2014

Persönliche Erklärung

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

es ist nun sechs Jahre her, dass ich hier zuletzt das Wort ergriff, um eine persönliche Erklärung abzugeben. Der heutige Abend und die Geschehnisse der vergangenen Tage machen diesen Schritt erforderlich.

Wie antisemitisch und fremdenfeindlich, wie gleichgültig und rücksichtslos gegenüber der deutschen Geschichte verhält sich die gewählte Vertretung der Steinfurter Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2014?

Die Antwort hierauf machen Menschen fest an der Entscheidung zum Umgang mit der Fassade der ehemaligen Villa Heimann. Einem Haus, in dem die Familie des Albert Heimann lebte, bevor der Familienvater und seine Frau Frieda ins Konzentrationslager Riga deportiert und in Auschwitz ermordet wurden. Ein Haus, aus dem die Kinder flohen, um sich vor dem Nazigräuel in Sicherheit zu bringen. Ein um diese menschenverachtenden, bestialischen und mörderischen Geschehnisse wissender Stadtrat wird die betroffene, zerstörte Familie Heimann nicht in Vergessenheit geraten lassen, sondern alles dafür tun, auch den zukünftigen Generationen eine Möglichkeit des Gedenkens und Erinnerns zu verschaffen.

Was hat den Rat der Stadt – und seine fachpolitische Vertretung – veranlasst, im Mai des letzten Jahres dennoch mehrheitlich gegen einen vollständigen Erhalt der Fassade dieses Hauses zu stimmen? Es war das Damoklesschwert der ruinösen Finanzen unserer Stadt und nicht zuletzt war es wohl auch die wenig Vertrauen erweckende Informationspolitik der Stadtverwaltung zur Frage des erforderlichen Aufwands und dessen Finanzierung.

Kosten von 100.000 € als Pauschalbetrag, tatsächliche Kosten von 248.000 € oder gar 275.000 €, gegenfinanziert ganz oder teilweise durch Spenden – zu einem erheblichen Teil durch Mittel, die die Stadt und somit die Steuerzahler selbst zum Zweck der Wirtschaftsförderung aufgebracht hatten.

Im Frühjahr letzten Jahres war abzusehen, dass sich die gewählten Vertreter der Stadt nicht für einen vollständigen Erhalt der Heimann-Fassade aussprechen würden. Selbst wenn sich auch die GAL hierfür ausgesprochen hätte: der Bauausschuss hätte sich mit 10:9 Stimmen für einen vollständigen Abriss ausgesprochen.

Der Vorstoß der GAL, die Fassade zumindest zum Teil zu erhalten, sollte die Möglichkeit schaffen, einen für Alle erträglichen Kompromiss zu ermöglichen.

Heute wissen wir, dass die Initiative Stolpersteine diesen Kompromiss als unzulänglich auffasst. Dass die CDU wie auch die FWS unserem Vorschlag nur aus taktischen Gründen zugestimmt hat, ist eine bittere und ernüchternde Erkenntnis der letzten Wochen.

Und auch das muss gesagt werden: die einzige konstruktive Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Bauausschuss-Beschlusses erhielten wir in den letzten acht Monaten durch Bürgermeister Andreas Hoge und den Technischen Beigeordneten, Reinhard Niewerth.

Wir haben verstanden, dass einem Kompromissvorschlag nicht immer auch die Chance auf eine Einigung innewohnt. So traurig und bedauerlich das gerade in dieser Angelegenheit ist.

Dass es nun offenbar unser Auftrag ist, den geballten Ärger über die getroffenen und bevorstehenden Entscheidungen auszuhalten, schmerzt uns weniger als das ausgebliebene, gemeinsame Engagement für eine würdige Gedenkstätte, um an das Leben und Wirken der Familie Heimann zu erinnern.

Diese Entscheidung ist aber das Ergebnis eines demokratischen Prozesses. Bürger, Interessen- und Initiativvertreter sind eingeladen, an der Willensbildung und der Entscheidungsfindung mitzuwirken. Es ist ihr gutes Recht, getroffene Abstimmungen zu bewerten. So funktioniert lebendige Demokratie. Als Demokrat erweist sich derjenige, der das Ergebnis einer Abstimmung respektiert und akzeptiert. Es mag Unverständnis, Unzufriedenheit und Ärger auslösen.

Werden aus Bewertungen jedoch Beschimpfungen, wird aus Meinung Meinungsmache und werden wahre Begebenheiten ins Gegenteil verkehrt, dann bleibt nicht nur die sachliche Auseinandersetzung auf der Strecke, sondern aus einem fairen Wettstreit um die beste Lösung wird eine schmierige Schmutzkampagne.

Als ich vor sechs Jahren hier meine letzte persönliche Erklärung abgab, war kurz zuvor James Deery, Mitglied der GAL-Fraktion, als sachkundiger Bürger beschimpft und bespuckt worden. In einer aufgeheizten Debatte, die nächste Kommunalwahl stand bevor.

Der Respekt voreinander zählt zu den tragenden Säulen in einer Demokratie. Wir alle, innerhalb und außerhalb dieses Gremiums, sollten darauf achten, dass die Werte des demokratischen Miteinanders nicht vollends auf der Strecke bleiben.

Christian Franke

Sprecher der Fraktion