Rede zum Haushalt 2018

Fraktion im Rat der Stadt Steinfurt

Christian Franke, Fraktionssprecher

Sandweg 77

48565 Steinfurt

Steinfurt, den 14. Dezember 2017

 

Stellungnahme zum Haushalt 2018

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren,

„Ein Finanzminister ist eine seltsame Personalunion aus Milchkuh, Hamster und Kettenhund.“ Ich weiß nicht, ob unsere Bürgermeisterin dieses Zitat des italienischen Schriftstellers Carlo Franchi kennt. Aber auch wenn sie es nicht kennt, wird ihr, so glaube ich, der Vergleich etwas sagen. Milchkuh, Hamster, Kettenhund – das sind in der Tat Rollen, in die man sich direkt versetzt sehen könnte, wenn man als Verwaltungschefin die Aufgabe hat, dem Stadtrat einen zustimmungsfähigen Haushalt vorzulegen.

„Wir können nicht alles tun, aber wir müssen tun, was wir können.“ Dieser Satz stammt vom früheren amerikanischen Präsidenten Bill Clinton. Treffender kann man, glaube ich, die Erwartung an eine verantwortbare Haushaltsplanung der Stadt kaum überschreiben. Der Haushalt ist kein Wunschkonzert – obwohl viele von uns viele gute Ideen hätten, deren Verwirklichung wir uns wünschen. Festzuhalten bleibt: der Haushalt der Stadt ist strukturell und chronisch unterfinanziert – die Erträge reichen nicht aus, den vorhandenen Aufwand zu finanzieren.

Rechtlich betrachtet ist der städtische Haushalt ein wesentliches Element kommunaler Selbstverwaltung. Fast wäre ich aber versucht zu sagen, dass die kommunale Selbstverwaltung im Vergleich zu dem, was der Freiherr vom Stein als Vater der kommunalen Selbstverwaltung darunter verstanden hat, nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Wir sind zum größten Teil fremdbestimmt, indem Bund und Land uns Aufgaben übertragen, die wir ausführen müssen. Zu einem erheblichen Teil müssen wir dann auch noch diese Aufgaben auf eigene Kosten erfüllen. Kommunale Selbstverwaltung in ihrer originären Form bestünde jedoch darin, dass die Kommunen eine angemessene Finanzausstattung bekommen und in eigener Verantwortung entscheiden, wie sie dieses Geld sinnvoll ausgeben. Davon können wir jedoch nur träumen.

Welche Bilder habe ich in den zurückliegenden Jahren gebraucht, um darzulegen, was die GAL-Fraktion in dieser Situation für erforderlich hält: von Dinosauriern, Zahnarztbesuchen, Tunneln und Höhlen wie Dahinsiechenden. Sie haben all das ertragen – erreicht habe ich wenig…

Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Politik im Rahmen der Haushaltsberatungen nicht erneut dem Versuch erlegen ist, einen eingebrachten Etat in der Ergebnisrechnung oder der Finanzplanung durch nicht-gegenfinanzierte Vorstöße zu verschlechtern. „Es ist also richtig, dass durch die Beratung im Haupt- und Finanzausschuss keine Änderung im Ergebnisplan entstanden ist“, fasste Heike Melchers als Leiterin des Fachdienstes Finanzen den Abschluss der Etatberatungen zusammen. Zwei Stunden politische Beratung ohne konkrete Verschlechterung für den Haushalt. Ein guter Tag für Steinfurt!

Sie alle kennen – nehme ich an – den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. An diesen Film fühlte ich mich erinnert, als ich diese Haushaltsrede geschrieben habe – vielleicht mit der Abwandlung, dass ich „täglich“ durch „jährlich“ ersetze. Oft genug ist hier zu hören, dass unsere Haushaltsmisere auch externe – und damit durch Rat und Verwaltung nicht zu beeinflussende – Faktoren fremdbestimmt ist. Deshalb ist es auch zutiefst ungerecht, wenn die Finanzsituation der Stadt in erster Linie der Bürgermeisterin angelastet würde!

Vielmehr belasten uns Zahlungsverpflichtungen, die nicht von außen beeinflusst wurden und in der alleinigen Verantwortung der Stadt liegen, unseren Haushalt: fast 14 Mio. € werden wir aufbringen müssen, um entsprechenden Forderungen in den nächsten Jahren nachzukommen. Das lässt sich anhand der Ausweisungen im Finanzplan leicht nachvollziehen. Die Menschen in Steinfurt konnten nicht ahnen, dass der Stadtrat das anvertraute Geld nicht gewinnbringend investiert hatte. Dann war zunächst von einem Verlust von 4,5 Mio. € die Rede. Am Ende erklärte die Verwaltung, 9,2 + 0,8 Mio. € müssten wohl gezahlt werden. Laut ursprünglicher Presseerklärung aufgrund einer Entscheidung „des Stadtrates“. Wir zweifeln auch diese Aussage an und werden sie überprüfen.

Richtig ist, dass die Vertreter der Ratsfraktionen von CDU, SPD und Bündnisgrünen in namentlicher (und öffentlicher) Entscheidung dafür gestimmt haben, bestehende Zins-Swap-Geschäfte auf Fremdwährungsgeschäfte auszuweiten, die vom damaligen NRW-Minister Behrens als hoch-riskant eingestuft wurden und von denen abgeraten wurde.

Fest steht weiterhin, daß dieser Schritt aufgrund der vorhandenen Mehrheit im Stadtrat vollzogen wurde und nun ein millionenschwerer Verlust entstanden ist. Das mögen Menschen in diesem Stadtrat nicht hören wollen – es ist aber das Ergebnis Ihrer Entscheidung im Jahr 2010.

Wir als GAL-Fraktion haben stets deutlich gemacht, dass für uns Haushaltswahrheit und –klarheit ein enorm wichtiges Gut darstellt. Wir verstehen bis heute nicht, dass durch den Stadtrat in Kauf genommen wird, dass Bürger(-innen) über Wochen falsch informiert werden. Wir können nicht nachvollziehen, dass Spekulationen (oder nennen wir es Fake-News) den Sachstand der Steuerpflichtigen bestimmen. Wohl wissend, dass die Verluste von Steuermitteln die genannten Summen um ein Vielfaches übersteigen.

Grundsätzlich lässt uns auch die Anerkennung externer Faktoren nicht aus der Verantwortung, durch eigene Entscheidungen und Maßnahmen dafür zu sorgen, das Defizit im städtischen Etat zu reduzieren. Wenn entsprechende Initiativen von Vertretern der CDU und der SPD gleich als Angriff auf die Grundzüge des Gemeinwesens abgestempelt werden, ist dieses weder sachgerecht noch angemessen.

Wenn ich dann von Ihnen, Herr Gromotka höre, dass Ihr Fokus zukünftig darauf gerichtet sei, bei größeren Projekten oder Maßnahmen den Rotstift ansetzen zu wollen, erwartet die GAL-Fraktion gespannt entsprechende, konkrete Vorschläge! Nach fast 25 Jahren Mitgliedschaft im Stadtrat sage ich Ihnen: es wäre ein echtes Novum.

Wir erleben, dass dieser Stadtrat kaum Möglichkeiten politischer Gestaltung hat. Das mag man bedauern. Oder auch nicht. Eine Ursache mag darin liegen, dass der vorgelegte Etat kaum lesbar ist und somit nicht beeinflussbar erscheint. In dieser technischen Betrachtung sind die CDU- und die GAL-Fraktion einer Meinung. Aufwendungen werden hin- und hergeschoben, zusätzliche Ausgaben oder Erlöse werden anderweitig verbucht, Sonderposten aufgelöst, Rückstellungen gebildet. Für Politik nicht nachzuvollziehen. Und somit Gift für jede Bearbeitung eines Etatentwurfs! Das muss anders und besser werden und wir erwarten, dass die Verwaltung initiativ wird, hier gemeinsam mit den Fraktionen eine brauchbare und solide Grundlage zu erarbeiten, um effektive Haushaltsberatungen zu ermöglichen!

Ohnehin sollte der Etat ein politisches Steuerungsinstrument sein. Wir erwarten, dass auch die Präsentation des Haushaltsentwurfs in der Öffentlichkeit und für die Bürgerinnen und Bürger verbessert wird. Der interaktive Haushalt der Stadt Speyer könnte hier auch ein Modell für Steinfurt sein – eine Einladung an die interessierten Bürgerinnen und Bürger, sich mit eigenen Ideen einzubringen.

Auch in einer schwierigen Haushaltssituation muss Raum sein für Investitionen. Eine Stadt, die sich nicht weiterentwickelt, fällt im Städtevergleich ganz schnell zurück. Hierbei hilft uns das Landesprogramm ‚Gute Schule’ wie auch das Kommunalinvestitionsfördergesetz: wir wollen die Schulen in Steinfurt – an denen wir einen massiven Reparatur- und Investitionsstau vor uns her schieben, endlich auf Vordermann bringen. Fest steht: hier werden Maßnahmen ermöglicht, die wir aus eigener Kraft nicht stemmen können. Wer hier investiert, macht unter Umständen Schulden. Aber kein solide wirtschaftender Unternehmer wird allein auf die Schulden schauen. Er wird vielmehr gegenüberstellen, welche neuen wirtschaftlichen Werte damit geschaffen werden. Wir wollen unsere Schulen endlich voranbringen und notwendige Investitionen tätigen – im Sinne der nachfolgenden Generation!

Dieses Wissen entlässt uns aber nicht aus der Verantwortung, sämtliche Ausgaben und Aufwendungen in allen Bereichen kritisch zu hinterfragen! Wer – wie der Kollege Meiers – die Auffassung vertritt, dass schon richtig ist, was Verwaltung empfiehlt, verfehlt den politischen Auftrag gänzlich. Genug, um repräsentierender Bürgermeister zu sein. Zu wenig, um die Stadt aktiv zu gestalten. Und weit entfernt davon, Kennzahlen einzufordern zu müssen, um echte Steuerung übernehmen zu wollen.

Aber auch die Ertragsseite muss in den Blick genommen werden. Was uns hierbei in besonderer Weise ärgert: die Wirtschaftsförderung hat es bislang nicht geschafft, ein Gewerbegrundstück zum politisch beschlossenen Preis zu verkaufen. Hier werden Steuergelder der Bürger weiterhin willkürlich zum Fenster herausgeschmissen. Dass die Verhandlungsschwäche unserer Wirtschaftsförderer auch noch politisch abgesegnet wird, ist für uns nicht nachvollziehbar.

Viele akute Fragestellungen und Problembewältigungen bestimmen den Alltag von Verwaltung und Politik – mal ist es die Rettung unseres Marienhospitals, dann die Sicherung eines Sportgeländes oder der Abriss einer Industriebrache, von der akute Gefahren ausgehen. Maßnahmen, die enorme Aufwendungen nach sich ziehen und den städtischen Etat massiv und nicht vorhersehbar belasten. Und bestenfalls zu händeln, wenn es Verwaltung und Stadtrat gelungen wäre, im Vorfeld Handlungsspielräume zu entwickeln.

Hierzu sind uns im vergangenen Jahr noch ausführliche Papiere zu Möglichkeiten der Haushaltskonsolidierung wie auch zum Umgang mit freiwilligen Leistungen präsentiert worden. Genutzt wurden all diese Ausführungen und Berechnungen nicht. Mit dem Mut verhält es sich oftmals wie mit dem Regenschirm: gerade dann, wenn man ihn bräuchte, hat man ihn nicht zur Hand…

Wir können nachvollziehen, dass die Verwaltung ressourcenbewusst handelt und der Politik keine weiteren, gleichlautenden Vorschläge unterbreitet. Diese liegen vor, genutzt wurden sie in der Vergangenheit nicht. Es muss frustrierend sein, einen solchen Aufwand zu betreiben und zu erleben, dass hieraus kein Nutzen gezogen wird. „Ich könnte Ihnen noch einmal die gleiche Vorlage zur Verfügung stellen“, hörte ich Helmut Grönefeld im Haupt- und Finanzausschuss am Dienstag sagen. Neue Erkenntnisse gebe es nicht. Und die alten haben offenbar nicht die entscheidenden Stellen erreicht. Auch blöd!

Bewusst möchten wir als GAL-Fraktion die Abstimmung über den Entwurf des HH-Plans vom Projekt „Westtangente“ lösen: diese Trasse lehnen wir in Übereinstimmung mit den betroffenen Grundstückseignern, den Umwelt- und Naturschutzverbänden ab! Es handelt sich hierbei um eine finanziell nicht darstellbare und ökonomische wie ökologisch unvertretbare Maßnahme!

Dennoch hat sich die GAL-Fraktion dazu entschlossen, dem HH-Entwurf von Bürgermeisterin Claudia Bögel-Hoyer zuzustimmen.

Gleichzeitig möchte ich mich im Namen der Fraktion bei der Bürgermeisterin selbst, Frau Melchers im FD 20 sowie Herrn Grönefeld und allen Anderen Beteiligten für konstruktive Haushaltsberatungen bedanken!