Rede zum Haushalt 2020

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GAL
Unsere Stadt kann mehr
Fraktion im Rat der Stadt Steinfurt
Christian Franke, Fraktionssprecher
Sandweg 77
48565 Steinfurt

Stellungnahme zum Haushalts 2020

Rede von Christian Franke, Sprecher der GAL-Fraktion

„Alle sind der Meinung man müsse den Gürtel enger schnallen, und dann fängt jeder an, am Gürtel des anderen herumzufummeln.“

Bundeskanzler Helmut Kohl

 

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

geschätzte Damen und Herren des Verwaltungsvorstands,

liebe Bürgerinnen und Bürger,

meine Damen und Herren,

am 5. November warnten 11.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter 900 in Deutschland, in einer gemeinsamen Erklärung der „Alliance of World Scientists“ vor einem weltweiten „Klima-Notstand” oder, bevor es hier wieder zur semantischen Diskussion kommt, vor einem „Climate Emergency“.

Im September, meine Damen und Herren, zeigte sich, dass die Mehrheit von Ihnen genau das für Steinfurt von sich weist, was renommierte Wissenschaftler für die ganze Welt erwarten: den Klima-Notstand. Sie erachteten den Begriff des Klimanotstands als zu negativ, als nicht schick genug. Es mag so sein, dass die Übersetzung des „Climate Emergency“ – zugegebenermaßen – historisch bedingt – nicht ganz gelungen ist. Unserer Meinung nach haben wir aber keine Zeit, um über Begrifflichkeiten zu streiten!

Statt des Ausrufens des „Klima-Notstandes“ hat der Stadtrat heute eine Klimaoffensive beschlossen. Das klingt natürlich viel schicker und viel positiver. Bringt uns alle aber auch nicht weiter, wenn der Stadtrat entsprechende Beschlüsse fasst, durch die eine positive Beeinträchtigung des Klimas konterkariert wird.

Wer klimaneutrale Mobilität will, der muss den motorisierten Individualverkehr umlenken. Der muss für einen bedarfsgerechten ÖPNV und für ein Radwegenetz sorgen, das komfortabel und sicher ist. Abgeschnittene Radwege, Bordsteinkanten als Stolperfallen, intensiv genutzte Radverbindungen mit enormer Unfallgefahr – das alles finden wir in Steinfurt. Der von uns eingebrachte Antrag, 40.000 € bereitzustellen, um hier schon im nächsten Jahr für nachhaltige Verbesserungen zu sorgen, wurde von Ihnen kurzerhand abgelehnt.

Wer Radverkehr tatsächlich fördern will, der erweist diesem notwendigen Ziel einen Bärendienst, wenn viel genutzte Strecken wie der Nünningsweg zu einer Rennstrecke für den Pkw-Verkehr ausgebaut und der Radverkehr von dort verdrängt wird. Bis heute gibt es keine plausible Lösung, wie der Vorrang und eine erhöhte Sicherheit für Radfahrer*innen an dieser Stelle sichergestellt werden kann. Hier wird schlicht die Sanierung eines Wirtschaftsweges mit Fördermitteln finanziert, die eigentlich für den Radverkehr gedacht sind. Eine klassische Zweckentfremdung.

Und wer verkehrliche Fragestellungen zukunftstauglich und zukunftsfest beantworten will, braucht neue Ansätze anstatt den Griff in die Mottenkiste der 80er Jahre! Es mag uns allen nicht leicht fallen, eine Vision dazu zu entwickeln, wie eine FH ohne Westtangente funktionieren könnte. Aber: es geht.

Und wer sich mal mit Mobilitätskonzepten für die Zukunft auseinandersetzt, der erkennt, dass es für eine Westtangente keinen Bedarf geben wird. Expertinnen und Experten sind sich einig: es ist in Zukunft zwar keine vollständige Abkehr vom Individualverkehr zu erwarten. Doch werden Shared Mobility- und NAF-Angebote sowie deren multimodale Verzahnung das Mobilitätsangebot insbesondere in Städten in den nächsten zwei Jahrzehnten grundlegend verändern.

Wer dennoch den Landraub in Veltrup fortsetzen und die dortigen Landwirtinnen und Landwirte in die Knie zwingen, wertvolle und unwiederbringliche Natur zerstören und allein durch den Bau der Westtangente unser Klima und den städtischen Haushalt massiv belasten will, stellt unter Beweis, dass personale Grenzen erreicht sind und sich um die Probleme der Zukunft andere kümmern sollen.

Wir hier sind halt nur eine Versammlung ziemlich alter Frauen und ziemlich alter Männer, die persönlich nicht in besonderer Weise davon betroffen sein werden, wie Steinfurt im Jahr 2050 dastehen wird.

Wir sind aber auch ein Stadtrat, der zum ersten Mal seit 18 Jahren einen Etat berät, der nicht der Haushaltssicherung unterliegen wird. Und das bei einem Haushalt, der noch immer massiv dadurch belastet ist, dass der Vorgänger der jetzigen Bürgermeisterin das Heil der kommunalen Finanzen in Zinswettgeschäften gesucht hat.

Der Etat 2020 bietet für die Kommunalpolitik ein wenig Luft, um endlich auch mal wieder politische Akzente in der Projektierung von Maßnahmen setzen zu können: 50.000 € für die Planung der Grundschulstruktur im Stadtteil Burgsteinfurt, 50.000 €, um am Gymnasium Arnoldinum weitere Baugrundstücke zu planen, 10.000 € für die Unterhaltung des jüdischen Friedhofs im Stadtteil Burgsteinfurt. 30.000 € für ein Förderprogramm zur zukünftigen Nutzung vorhandener Wohngebäude.

In den städtischen Gebäuden – und hier insbesondere in den Schulen und Sportstätten – springen die Folgen der letzten 18 Jahre überall ins Auge: der Reparatur- und Sanierungsbedarf ist massiv. Und dennoch hat der Stadtrat im Rahmen der Haushaltsberatungen 2020 nicht dafür gesorgt, dass der Aufarbeitung struktureller Defizite der letzten Jahre besondere Bedeutung beigemessen wird. Denn dann hätte man rechnerische Überschüsse für die Instandsetzung und Modernisierung von Schulgebäuden und Sportanlagen eingesetzt. Auch eine kommunale Unterstützung bei Programmen wie Gute Schule 2020 oder Digitalisierungspakt spielen leider keine Rolle. Wlan in Schulen, Beschaffung von Hardware – die Liste der Erfordernisse ließe sich deutlich verlängern.

Statt dessen werden kurzerhand 50.000 € bereitgestellt, um eine neue Mikrofonanlage für die Sitzungsräume anzuschaffen, den Fraktionen sollen zukünftig Beamer zur Verfügung gestellt werden. Begründung: das müsse nicht diskutiert werden, das sei der Standard, um im  Steinfurter Rathaus zeitgemäß politisch arbeiten zu können. Ich frage mich seit Dienstag: was ist eigentlich der Standard, um in Steinfurter Schulen zeitgemäß lernen zu können? Wem will man vermitteln, dass die Politik neue Teppichböden und Tische braucht, wenn in Schulen weiter der Putz von Decken und Wänden bricht?

Das aber ist weniger wichtig als die Beschaffung einer Mähraupe für 50.000 €. Angedacht von einem Verein. Finanziert durch Steuermittel. Einsetzbar in steilem und unzugänglichem Gelände. In Steinfurt quasi flächendeckend.

Mitfinanziert von allen Bürger*innen. Auch von der alleinstehenden Rentnerin, die von der SPD als Argumentationshilfe für eine Senkung der beschlossenen Steuersätze herangezogen wird. Sie dürfte nun rd. 1,65 € im Monat mehr zur Verfügung haben. Denn genau hierauf beläuft sich die Wirkung der Steuersenkung im Schnitt.

In Summe fehlen der Stadt dadurch im kommenden Jahr 320.000 €, die für eine Verbesserung der Unterrichts- und Ausbildungsbedingungen der Enkelkinder der SPD-Rentnerin nun nicht mehr zur Verfügung stehen.

Zur Abstimmung steht nun ein Haushaltsentwurf, der von der Verwaltung solide und konservativ eingebracht und – nicht zum ersten Mal – durch politische Beschlüsse nachteilig verändert wurde. Im Ergebnis erachten wir den Haushaltsentwurf als nicht zustimmunsgfähig.

Gerade erst ist bekannt, dass für das Weberquartier schon bald eine neue Nutzung erreicht werden kann: ein neuer Investor ist gefunden, notwendige Verträge sind unterzeichnet, mehr als 15 Mio. € Fördermittel des Landes konnten gesichert werden. Ein nicht absehbarer Erfolg stetiger und vertrauensbildender Verhandlungen. Wir zollen der Verwaltungsspitze – der Bürgermeisterin Claudia Bögel-Hoyer und dem Technischen Beigeordneten, Hans Schröder – größten Respekt, dass Sie dieses Ergebnis erreicht haben!

Wir erwarten, dass nun schnellstmöglich auch über eine zukunftsträchtige Erschließung und die Schaffung moderner Mobilitätskonzepte in diesem Bereich nachgedacht wird und entsprechende Expertisen entwickelt werden. Der alte Zopf der Osttangente ist u.E. weder zukunftstauglich noch brauchbar.

Zum Abschluss erlaube ich mir hier noch kurze Ausführungen zur Kultur des Miteinanders, zum Umgang zwischen Verwaltung und Politik:

Derartige Verhandlungsergebnisse der Verwaltungsspitze wie zur Zukunft des Krankenhauses werden durch die Politik kaum anerkannt oder respektiert. Es wird statt dessen stets eher danach gesucht, welches „Haar sich in der Suppe“ befindet.

Es wird insbesondere in den Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses wie auch des Stadtrates fortwährend die Verwaltungsspitze massiv, aggressiv und destruktiv attackiert. Dass die CDU glaubt, die ungewollte Bürgermeisterin permanent angreifen zu müssen, ist vermutlich ihrem verletzten Stolz geschuldet. Dass die CDU hierbei fortwährend unsachlich agiert, jedes Maß an fairer politischer Streitkultur vermissen lässt und permanent dafür sorgt, dass Auseinandersetzungen eskalieren und somit nicht mehr konstruktiv zu führen sind, muss Ihnen angelastet werden.

Ich fordere Sie auf: kehren Sie zurück zu einer sachlichen – gerne auch kontroversen – Debatte über politische Themen. Beenden Sie aber endlich die unsachlichen und verletzenden Diskussionen mit der Stadtspitze!

Ich danke ausdrücklich dem Fachdienst Finanzen, Herrn Meyer und Frau Uesbeck, sowie auch Frau Niehues und Herrn Grönefeld aus dem Fachdienst 10 für die konstruktive und sehr engagierte Begleitung der Haushaltsberatungen sowie der Verwaltungsspitze für die konstruktive Zusammenarbeit!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!