GAL-Fraktion im Rat der Stadt Steinfurt
c/ o Gerald Müller, Fraktionssprecher
Mitglied im Stadtrat Steinfurt
Steinfurt, den 12. Dezember 2024
Stellungnahme zum Haushalt 2025
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, geschätzte Mitglieder des Verwaltungsvorstands, liebe Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer
Nun stehe ich hier als Fraktionsvorsitzender der GAL, seit September 2024 mit dem Amt betraut, sozusagen noch in der Ausbildung. Es ist mir ein Anliegen, mich für die gute, herzliche und verbindliche Aufnahme in diese Verantwortung, bei allen hier im Raum zu bedanken. Die Themen, mit denen wir uns befassen, können wir häufig nicht beeinflussen, aber die Art, wie wir miteinander umgehen. Danke.
2024 – wir schauen auf ein denkwürdiges Jahr. Ein Krieg in Europa ist immer noch gegenwärtig. Weitere Eskalationsstufen wurden überschritten. Unsere Vorstellung von Frieden und Sicherheit in Europa gilt seit 2022 nicht mehr. Der Krieg in der Ukraine hat Auswirkungen auf Deutschland, auf Europa und auf die ganze Welt. Weitere Krisenherde haben sich seitdem entwickelt: Israel im Konflikt mit der Hamas und jüngst eskaliert es auch in Syrien wieder.
Ziehen wir den Fokus etwas enger, so erlebten wir auf der bundespolitischen Ebene in diesem Jahr ein reges auf und ab, dass sowohl inhaltlich, aber auch emotional. Nach wahrnehmbaren Fehlschaltungen der Ampel, ist es dann schließlich zum Totalausfall der Signalanlage gekommen. Zahlreiche Servicetrupps hatten sich an der Steuerung und Justierung der Ampel versucht, vergeblich. Teilweise gab es keine Handbücher, teilweise sind sie schon vor dem Schaden veröffentlicht worden, was dann erst zum Schaden führte.
Nun steht sie da, an einer der wichtigsten Kreuzungen in Deutschland und hat nicht mal mehr ein gelbes Blinklicht. Zurückgeblieben ist eine unsägliche Auseinandersetzung zur Frage der Schuld, die leider selten inhaltlich geprägt war, sondern fast ausschließlich von drohendem Machtverlust und persönlicher Betroffenheit. Gefehlt haben mir dabei deutlich die Aspekte der persönlichen Reflexion, Demut und ein Gefühl für die Wahrnehmung in der Gesellschaft.
Aber neben all der Dramatik ist eine Umfahrung der Ampel schnell eingerichtet worden und wird gut angenommen und stetig benutzt. Aus dem anfänglich kleinen, unbefestigten Weg, ist schnell eine von vielen genutzte Autobahn geworden. Wer denkt da noch an eine Ampel. Auf dem blauen Schild steht weder eine Richtung oder Ziel, sondern einfach nur: Neuwahlen
Was mich an dem ganzen Vorgang besonders betrübt, ist die Tatsache, wie selbstverständlich auf der politischen Bühne so ein Verhalten geworden ist, geduldet wird und wie leichtfertig die Glaubwürdigkeit in Politik damit weiter beschädigt wird. Ampel-Aus hat es immerhin auch zum Wort des Jahres gebracht: Sarkasmus?
Bitte lassen Sie uns auf kommunaler Ebene hier kein Vorbild suchen!
Schauen wir nun in unserer Kreisstadt auf das Jahr 2024, so gibt es viele gelungene Projekte und auch weniger gelungene. Es gibt aber zudem auch Projekte, angestoßen, beraten, abgestimmt und in Auftrag gegeben und leider nicht durchgeführt.
Was ist da u.a. gemeint, lassen Sie mich einige Beispiele benennen:
- Beschluss zum Begrüßungsgeld für Neugeborene (50.000€ bereitgestellt)
- Schaffung von Räumlichkeiten i.S. einer Stillfreundlichen Kommune (20.000€ bereitgestellt)
- Infrastruktur für E-Bikes (Ladepunkte und Unterstellmöglichkeiten) in Zentren beider Stadtteile – Mittel wurden bereitgestellt
- Anschaffung großer Müllbehälter für zentrale Stellen in beiden Stadtteilen (angeblich beschafft aber eingelagert)
Das mögen auf dem ersten Blick Kleinigkeiten sein und man könnte es unter der Rubrik „wenn das unsere Probleme sind“ wegwischen. Aber wenn man bedenkt, dass es sich hier auch um Anforderungen von Bürger:innen handelt, die durch politische Arbeit beschlussreif vorgetragen wurden und einfach nicht umgesetzt werden, dann sind wir nicht weit weg von der unglaubwürdigen Politik und der Stadtverwaltung, die nur verwaltet. Das kann und sollte nicht unser aller Ansinnen sein.
Leider ist es uns gemeinsam auch nicht gelungen, das Projekt Landesgartenschau (LAGA) für Steinfurt erfolgreich einzuwerben. Es sind in dem Kontext viele gute und sinnstiftende Ideen entwickelt und konkretisiert worden. Das wäre ein Katalysator für die Verbindung und Entwicklung der beiden Ortszentren geworden. Begleitet von einer finanziellen Förderkulisse. Jetzt kann man natürlich postulieren, dass wir nun auch nicht die zusätzlichen Kosten einer LAGA haben. Ja, das stimmt, aber die Entwicklungen und Maßnahmen, z.B. in den Bereichen der Innenstädte, Mobilität und Klimaanpassung bleiben notwendigerweise auf der Liste stehen.
Aber Schatten gibt es, wenn es auch Licht gibt. So konnte in diesem Jahr der Klimabeirat seine Arbeit aufnehmen und er entwickelt zunehmend eine Agilität, die uns bei Priorisierungen und Entscheidungen deutlich unterstützt.
Als weiterer guter Baustein zahlt mittlerweile das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) für den Innenstadtbereich von Borghorst auf die Klimaanpassung ein. Es ist gelungen die entsprechenden Fördermittel dafür erfolgreich zu akquirieren. Ein herzlicher Dank an alle, die an dem Prozess beteiligt waren und weiterhin sind. Hier wird zum einen der Entwicklung von Hitzeinseln entgegengewirkt zum anderen aber auch die Attraktivität der Innenstadt zum Wohnen und Einkaufen deutlich erhöht. Ein Nukleus für eine gute Wirtschaftsförderung in dem Bereich.
Auch möchte ich an diese Stelle das Thema Mobilität erwähnen. Die Stadt Steinfurt hat den ersten EFRE-Förderbescheid (Europäische Fonds für regionale Entwicklung) des Programms „Nachhaltige Städtische Mobilität für alle“ über 3,5 Millionen Euro erhalten (EU- und Landesmittel). Daraus werden u.a. Mobilitätshubs und Fahrradstraßen in Steinfurt entstehen. Ohne die Fördermittel wären solche Vorhaben in unserem Haushalt nicht abbildbar gewesen. Auch hier ein Dank an alle Macher in dem Vorhaben.
Gerade frisch ist der Neubau der 2-fach Sporthalle an der Heinrich-Neuy-Schule beschlossen worden. Ein gutes Zeichen, für die Schulentwicklung und die Unterstützung des Sports und der Sportvereine. Ein Funktionsgebäude, fast 60 Jahre alt, energetisch nicht mehr zu beschreiben, verrostet, durchfeuchtet und mittlerweile mit Schimmel belastet, gehört ersetzt und nicht saniert. Das ist eine nachhaltige Investition in die Zukunft der Stadt Steinfurt.
Kommen wir nun konkret zum Haushalt 2025. Natürlich lassen sich die Auswirkungen der o.a. Ausführungen auf unsere Entscheidungen und auf unser Handeln, hier vor Ort in Steinfurt, nicht abwenden. So ist der eingebrachte Haushalt 2025 beeinträchtigt von Preiserhöhungen, insbesondere bei Baumaßnahmen, Instandhaltung und Modernisierung, aber auch von deutlicher Reduzierung von Fördermöglichkeiten und Mitteln.
Die letzte Veränderungsliste, also die Fortschreibung des eingebrachten Haushalts, endet nun aktuell mit über 10,3 Mio/€ Defizit (Anmerkung: Genaue Darstellung der Summe von heutigen Ratsendscheidungen abhängig! 12.12.2024). Leider reiht er sich tendenziell und seit 2021, auch mit einem negativen Beitrag chronologisch ein. Begründungen sind da mannigfaltig, fremdgesteuerte Steigerung der Kreisumlage plus Jugendamt, aber auch deutliche Steigerung der konsumtiven Ausgaben intern.
Ja, der Haushalt in Steinfurt ist fiktiv ausgeglichen, denn wenn der Fehlbedarf im Ergebnisplan und der Fehlbetrag in der Ergebnisrechnung durch Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage gedeckt werden können, darf man es so bezeichnen. Doch wenn ich „fiktiv“ im Duden nachschlage, steht als Bedeutung dort: nur angenommen; erdacht, erdichtet, frei erfunden
Die Ausgleichsrücklage stellt einen Puffer innerhalb des Eigenkapitals dar, um der Kommune eine flexiblere Haushaltswirtschaft zu ermöglichen, ist also kein Goldesel, sondern begrenzte Kernsubstanz von Steinfurt, also die Sicherheit und Reserve.
Heißt das Übertragen, wir glauben, dass es uns allen in Steinfurt gut geht, während das zerschlagene Sparschwein bereits auf dem Tisch liegt und nur noch wenige Münzen hergibt. Ja, nach einer negativen Prognose bei Haushaltseinbringung hat es in den letzten Jahren immer einen positiven Jahresabschluss gegeben. Aber auch der hat sich stetig verringert und es ist fraglich, ob er für 2025 überhaupt positiv sein wird. Keine gute Perspektive für eine Genesung des Sparschweins.
Unsere Aufgabe wird es sein, in der Entwicklung genau hinzuschauen, was wir mit den eingestellten Haushaltsmitteln umsetzen können und werden. Wo haben wir Einfluss und Bewegungsfreiheit. Die interne Ausgabenseite gehört dazu ebenso auf den kontinuierlichen Prüfstand wie auch die geplanten Maßnahmen hinsichtlich Steuerung und Erfüllung. Denn wenn als dringend eingeforderte Maßnahmen in der Infrastruktur am Ende des Jahres nur wenige, wirklich umgesetzte Maßnahmen übrigbleiben, ja, dann mag das positiv für den Jahresabschluss sein; Aber verschließen wir nicht die Augen dabei vor der voranschreitenden Substanzzehrung an der Infrastruktur in Steinfurt.
Wir als GAL werden dabei weiterhin unermüdlich auch die „grünen“ Themen immer wieder in die Gespräche und Abstimmungen einbringen. Zum einen erwarten die anderen Fraktionen das von uns, des Weiteren wissen Sie aber auch genau, dass diese Themen nicht mehr einfach als grün gebasht werden können. Wer Hochwasserschutz, Starkregenereignisse, Hitzeinseln und die Entwicklung von Treibhausgasen ernst nimmt und das erfahren wir mittlerweile nahezu alle persönlich in eigener Betroffenheit, kann Klimaschutz und -anpassung nicht als freiwillige Leistung im Haushalt begraben.
Wir als GAL sehen die Herausforderungen der Zukunft in Bezug auf eine gute Stadt-, Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung in Steinfurt im Kontext einer gleichwertigen Ökonomie und Ökologie. Unter dem Gedanken eine Neo-Ökologie sollten wir unser alle miteinander auf den Weg machen, unser Werte-Set neu auszurichten. Viele Menschen in Steinfurt haben sich in Vereinen und Vereinigungen schon auf den Weg gemacht. Wir brauchen in der Politik die Ideen und Anregungen, gerade auch von jungen Menschen und sollten gut zuhören.
Steinfurt hat sich auch das Ziel selbst auferlegt, bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden. Klimaschutz und -anpassung wird vor Ort, durch uns umgesetzt und wird entsprechende Investitionen einfordern. Das ISEK-Vorhaben für die Innenstadt von Borghorst ist ein gutes Beispiel wie Klimaanpassung und Innenstadtentwicklung passgenau werden können. Ja es erfordert Personal und Ressourcen, aber auch handeln und umsetzen. Der Klimabeirat wird sich dabei zu einer wertvollen Unterstützung entwickeln.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Zitat von Barack Obama zitieren. Es ist auch schon 10 Jahre alt und stammt aus den Beiträgen zum damaligen Klimagipfel. Erlauben Sie, es in der deutschen Übersetzung vorzutragen: “Wir sind nicht die letzte Generation, die den Klimawandel erleben wird, aber wir sind die letzte Generation, die etwas gegen den Klimawandel tun kann”
Wir als GAL sehen eine Entwicklung von Themen und Projekten unter den dargelegten Prämissen. Wir werden dem Haushalt zustimmen. Natürlich sind wir mit der Geschwindigkeit und der Dynamik des Vortriebs an vielen Stellen noch nicht zufrieden. Aber wir stellen uns auch der Verantwortung hier mitzuarbeiten und einzuwirken.
Ich möchte mich am Ende meiner Ausführungen ausdrücklich bei dem Mitstreiter:innen der anderen Ratsfraktionen für die gute, konstruktive und sachliche Zusammenarbeit in den zurückliegenden Monaten bedanken!
Dem Fachdienst Finanzen, Frau Paßlick und Herr Meyer, danke ich für die hilfreiche Begleitung während der, wenn auch kurzen, Haushaltsberatungen!
Ich danke der WN und stellvertretend Axel Roll für eine faire Berichterstattung, der Verwaltungsspitze für die gute Zusammenarbeit und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herzlichen Dank.
Gerald Müller
Fraktionssprecher GAL im Rat der Stadt Steinfurt